Das Berliner Schloss (auch Stadtschloss genannt)

Das Berliner Schloss, seit einiger Zeit auch Berliner Stadtschloss genannt, war die Hauptresidenz (Winterresidenz) der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, später der Könige in bzw. von Preußen und dem Deutschen Kaiser. Es stand auf der Spreeinsel im heutigen Berliner Ortsteil Mitte.

Nach der Novemberrevolution von 1918 fungierte das Schloss als Museum und wurde durch zahlreiche andere Mieter, unter anderem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, genutzt. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde es zunächst für Ausstellungen weitergenutzt. 1950 entschied der Generalsekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, das Stadtschloss zu Gunsten eines Demonstrationsplatzes zu sprengen und abzutragen. Diese Arbeiten fanden zwischen dem 7. September und dem 30. Dezember 1950 statt. 1959 wurde das nicht weit entfernte kleine Schloss im Monbijoupark abgerissen. Von 1973 bis 1976 wurde auf dem Gelände des Berliner Schlosses der Palast der Republik erbaut, der von 2006 bis 2008 abgerissen wurde.

2007 beschlossen der Bundestag und das Land Berlin, ab 2010 mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses zu beginnen. Im Juni 2010 entschied die Bundesregierung jedoch, im Rahmen von umfangreichen Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt den Baubeginn auf 2014 zu verschieben. Das Bundesbauministerium hat am 23. November 2010 einen neuen Zeitplan vorgestellt, wonach das Berliner Schloss bis 2019 rekonstruiert ist.

Das Gebäude in der Kubatur des Stadtschlosses und mit dem Nachbau der historischen Fassaden an drei Außen- und drei Innenhofseiten soll den Titel Humboldt-Forum erhalten und neben einer Bibliotheksnutzung für die Humboldt-Universität auch als Ausstellungsort für die Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dienen.

Baugeschichte

Kurfürst Friedrich II., genannt „Eisenzahn“, hatte den Bau 1443 gegründet. An der Stelle des späteren Schlüterhofes und des Hofes III stand zunächst eine Burg, die die sich auf der Spreeinsel kreuzenden Handelswege kontrollieren sollte. 1465 wurde die bedeutende spätgotische Erasmuskapelle eingebaut. Kurfürst Joachim II. ließ im 16. Jahrhundert die spätmittelalterliche Burg weitgehend abtragen und an ihrer Stelle durch die Baumeister Caspar Theiss und Kunz Buntschuh nach dem Vorbild des Schlosses in Torgau eine prachtvolle und bedeutsame Renaissance-Residenz errichten.

Entwurf von Schlüter 1702 Unter Kurfürst Johann Georg entstand gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch den Hofbaumeister Rochus Graf zu Lynar der Westflügel und Hofabschluss sowie die nördlich anschließende Hofapotheke. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, ließ das nach dem Dreißigjährigen Krieg ziemlich verfallene Schloss wieder herrichten. In der Spätzeit seiner Herrschaft entstanden bedeutende Innenräume wie die Kugelkammer oder die Braunschweigische Galerie. Letztere wurde in den durch Johann Arnold Nering ausgeführten Galerietrakt an der Spree eingebaut.

Unter Kurfürst Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I. in Preußen) kam es zum Ausbau des Schlosses zur großartigen Königsresidenz. Ab 1699 baute Andreas Schlüter das Schloss zu einem bedeutenden Profanbau des protestantischen Barocks aus. Die prächtigen Repräsentations- und Privaträume des Schlosses wurden nach seinen Vorgaben mit Deckengemälden unter anderem des Hofmalers Augustin Terwesten geschmückt. Auf Wunsch des Königs sollte der Münzturm[4] genannte Bau an der Nordwestecke des Schlosses, mit einem für 12.000 Gulden in Holland erworbenem Glockenspiel versehen, bis zu einer Höhe von 94 Meter aufgestockt werden. Dafür erwiesen sich aber die Fundamente des mittelalterlichen Baus als unzureichend, obwohl Schlüter mit damals neuartigen Eisenarmierungen sie zu verstärken versuchte. Schließlich musste der unfertige Turm aus statischen Gründen aufwendig abgetragen werden und Schlüter wurde 1706 als Hofbaumeister unehrenhaft entlassen, blieb aber als Hofbildhauer im Amt.[5] Schlüters Posten übernahm sein Konkurrent Johann Eosander von Göthe, der einen großartigen Erweiterungsplan für das Schloss vorlegte. Der Plan sollte modifiziert ausgeführt werden, was, nachdem Friedrich I. starb, nur unzulänglich geschah: sein Nachfolger König Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, entließ aus Sparsamkeit und angesichts der ruinierten Staatsfinanzen die meisten Künstler und ließ das Schloss vom weniger bedeutenden Schüler Schlüters, Martin Heinrich Böhme, vollenden.

Danach folgten nur noch kleinere Änderungen am Außenbau. Eine Ausnahme bildet hier der Kuppelbau durch Friedrich August Stüler und Albert Dietrich Schadow in den Jahren 1845 bis 1853. Der Bau folgte einem durch Karl Friedrich Schinkel bearbeiteten Entwurf von Friedrich Wilhelm IV. Die von einem Kreuz bekrönte Kuppel über dem Eosanderportal beherbergte die Schlosskapelle, die im Januar 1854 geweiht wurde.

Das Innere erfuhr bis zuletzt zahlreiche, zum Teil künstlerisch bedeutsame Veränderungen. Erwähnenswert sind die dekorativen Arbeiten von Andreas Schlüter, Carl von Gontard, Carl Gotthard Langhans, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Karl Friedrich Schinkel.

Politische Geschichte

Das Schloss war Schauplatz symbolträchtiger Ereignisse in der deutschen Geschichte. Bei der Märzrevolution von 1848 war der Schlossplatz Versammlungsort friedlicher Demonstrationen, aber auch blutiger Straßenkämpfe. König Friedrich Wilhelm IV. versuchte, durch Balkonreden die Massen zu beruhigen. Im Ersten Weltkrieg hielt Kaiser Wilhelm II. ebenfalls Balkonreden an die Berliner Stadtbevölkerung, so am 31. Juli und 1. August 1914 aus Anlass des Kriegsbeginns. Sie sollten die Menschen auf den bevorstehenden bzw. gerade ausgebrochenen Krieg einstimmen und die nationale Einheit beschwören. Vom selben Balkon aus proklamierte der Sozialistenführer Karl Liebknecht am 9. November 1918 nach der militärischen Niederlage des Kaiserreiches und der Flucht des Monarchen die Sozialistische Deutsche Republik (zustande kam allerdings die bürgerliche Weimarer Republik). Dieses sogenannte Karl-Liebknecht-Portal‘, das ehemalige Portal IV des 1950 von der DDR gesprengten Stadtschlosses, integrierte die DDR als Verweis auf historische kommunistische Traditionen und als Siegesmal über bürgerliche Formen der Republik in die Fassade des DDR-Staatsratsgebäudes, das seit 1964 an der Südseite des Schlossplatzes steht.

Durch das Inkrafttreten des Groß-Berlin-Gesetzes 1920 verlor das Schloss seinen Status als Gutsbezirk und wurde Teil der Stadt Berlin.

Zerstörung

Während des Zweiten Weltkrieges brannte das Schloss bei dem schwersten Bombenangriff auf das Berliner Stadtzentrum am 3. Februar 1945 bis auf den Nordwestflügel aus. Das Feuer hatte nahezu alle Prunkräume im Nord- und Südflügel vernichtet. Weitere Schäden entstanden Ende April an der Schlossplatzfassade durch Artilleriebeschuss.

Erhalten blieben die Außenmauern mitsamt dem plastischen Schmuck, die tragenden Wände und größtenteils die Haupttreppenhäuser. Der gering beschädigte Flügel mit dem Weißen Saal diente weiterhin dem Kunstgewerbemuseum Berlin als Magazin und Verwaltungssitz. In anderen erhalten gebliebenen Teilen des Schlosses befanden sich Abteilungen des Landesdenkmalamtes und der vormals preußischen „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten“.

Der im Mai 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzte und von der KPD/SED dominierte Magistrat stimmte den vom Baustadtrat Hans Scharoun sofort beantragten Erhaltungsmaßnahmen nur widerwillig und teilweise zu, so dass weitere Schäden durch Witterungseinflüsse entstanden. Auch die Aufbauplanung des 1946 demokratisch gewählten Magistrats durch Karl Bonatz sah den Wiederaufbau des Schlosses vor. Im Weißen Saal fanden zwischen August 1946 und März 1948 vier Ausstellungen statt, die zahlreich besucht wurden. Im unzerstörten Erdgeschoss des Schlossplatzflügels mit Schinkels Staatsratssaal hatte eine Baufirma, die Sicherungs- und Bergungsarbeiten im Schloss und seiner Umgebung ausführte, ihren Sitz.

Seit der Spaltung Berlins im Sommer und Herbst 1948 verhinderte der nun für das Schloss verantwortliche SED-geführte Ost-Berliner Magistrat nach und nach die weitere Benutzung sowie Sicherungsarbeiten und Beheizung. Die Deutsche Volkspolizei kündigte im Oktober 1948 den im Schloss untergebrachten Institutionen die Räumung an. Nachdem ihre Proteste nichts bewirkt hatten, verlegten sie ihre Dienstsitze nach West-Berlin.[9] Im März 1949 sperrte die Baupolizei das Schloss, obwohl eine Sachverständigenkommission es für nicht einsturzgefährdet erklärt hatte.

Im Oktober 1949 zerstörten Sowjetsoldaten bei Dreharbeiten zum sowjetischen Film Die Schlacht um Berlin mehrere Skulpturen, noch erhaltene Ausstattungsstücke und hunderte Glasfenster des Schlosses.

Als die Berliner Öffentlichkeit im Winter 1948/1949 Anzeichen eines offenbar bevorstehende Abrisses des Schlosses wahrnahm, streute die SED-gesteuerte Presse zunächst im Februar 1950 Desinformationen aus. Während der Führungszirkel der SED den Wiederaufbau des Schlosses einhellig ablehnte, stellte er zunächst den amtlichen Wiederaufbauplan nicht in Frage und duldete interne Diskussionen des Kulturbundes über die Neugestaltung der Mitte Berlins.

Mit Gründung der DDR war die Zuständigkeit für den Wiederaufbau des Berliner Stadtzentrums an eine Abteilung des „Ministeriums für Aufbau“ übergegangen. Auf dem III. Parteitag der SED gab am 23. Juli 1950 Walter Ulbricht, der neue Generalsekretär des ZK der SED, den bevorstehenden Abriss des Schlosses bekannt. An der Stelle des Schlosses selbst, wie auch des Lustgartens, der Schlossfreiheit und des Schlossplatzes sollte ein Kundgebungsplatz entstehen, „auf dem der Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes Ausdruck finden können.“ Dies kündigte Ulbricht an, ohne dass zuvor Diskussionen oder Absprachen im Politbüro, im Ministerrat oder mit dem Oberbürgermeister stattgefunden hatten.

In den folgenden Wochen sollten Ulbrichts Ideen Gesetzesform erhalten. Der entsprechende Ministerratsbeschluss wurde Ende August 1950 veröffentlicht. Umgeben sollten den Kundgebungsplatz im Westen ein FIAPP-Denkmal an der Stelle des zu beseitigenden Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals, im Süden ein neues Opernhaus und im Osten eine Zuschauertribüne. Stehen bleiben sollten Altes Museum, Dom und Marstall. Auf der anderen Seite der Spree sollte sich hinter der Tribüne ein „repräsentatives Hochhaus“ erheben. Neben der Vernichtung des Schlosses sah der Plan auch die flächenhafte Abräumung der nur zum Teil zerstörten Mitte Alt-Berlins und des Nordens Alt-Köllns eine zentrale Trasse von der Stalinallee über den Alexanderplatz zum Brandenburger Tor vor.

Führende Vertreter des Berliner Kulturlebens verwarfen auf einer Veranstaltung des Aufbauministeriums am 30. August einhellig den Plan und versuchten angesichts der für den 6. September vorgesehenen Abstimmung der Volkskammer eine öffentliche Diskussion in Gang zu bringen. Die verantwortlichen SED-Politiker gingen auf die zahlreichen, kunsthistorisch oder geschichtspolitisch begründeten Proteste, die sie in den folgenden Tagen aus ganz Deutschland erreichten, nicht ein oder führten Kostenargumente an. Beispielhaft war die Antwort, die Ulbricht einem protestierendem SED-Genossen erteilte. Dessen „Stellungnahme“ sei ihm „bereits aus Westberliner Zeitungen bekannt“, er empfehle ihm, „eine Protestbewegung gegen jene zu organisieren, die das Schloss durch ihren Bombenterror zerstört haben“ und kündigte an, dass „architektonisch wichtige Partien im Innern des Schlosses, soweit sie den amerikanischen Bombenterror überstanden haben“, in ein Museum überführt werden.

Am 7. September, dem Tag nach dem Volkskammerbeschluss, begannen, noch immer von erfolglosen Protesten begleitet, die Sprengungen des Schlosses bis zur völligen Vernichtung am 30. Dezember 1950. Bis zur Feier am 1. Mai 1951 wurde der Platz abgeräumt, mit rotem Ziegelsplitt bedeckt und die Tribüne errichtet. Er erhielt den Namen „Marx-Engels-Platz“.

Obwohl das SED-Organ Neues Deutschland den Abriss im August 1950 unter dem Motto „es soll uns nichts mehr an unrühmlich Vergangenes erinnern“ angekündigt hatte, unterblieb in der DDR eine offizielle Erörterung der historischen und kulturellen Bedeutung des Schlosses. Eine entsprechende Veröffentlichung mit Argumenten für den Abriss wurde 1952 zurückgezogen.

Die in den folgenden Jahren entstandenen Pläne zur Neugestaltung des Marx-Engels-Platzes blieben unausgeführt. Erst nach der Absetzung Ulbrichts veranlasste sein Nachfolger Honecker 1971 als programmatische Geste die Errichtung des 1976 fertiggestellten Mehrzweckgebäudes „Palast der Republik“ an der Stelle des Schlosses.


Künstlerische Bedeutung

Wenngleich das Berliner Schloss stets unvollendet im Sinne der Planungen Schlüters und Eosanders blieb, wo es als Teil einer zu errichtenden größeren städtebaulichen Anlage gedacht war, ergab sich mit den umliegenden Gebäuden in der Mitte Berlins ein repräsentatives städtebauliches Ensemble. Auch war das Schloss Endpunkt der Prachtstraße Unter den Linden; allerdings waren die Fassaden nicht auf Fernwirkung gestaltet. Die Westfassade wurde durch die sogenannte „Schlossfreiheit“ verdeckt.

Schlüters Entwurf blieb eher konservativ und wurde vom Alten Schloss bestimmt. Er war stark von Berninis Entwurf für den Louvre beeinflusst, erreichte aber durch Schlüters Motive und plastische Gestaltung eine „schwülstige Wirkung“.

 

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Wiederaufbaubestrebungen

Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es eine neue Diskussion in Berlin, ob das Schloss wiedererrichtet werden sollte. Damit begann nicht nur eine bis heute andauernde öffentliche Debatte um den Schlossbau, sondern auch um den Umgang und das Selbstverständnis der Deutschen mit ihrem wiedervereinigten Staat und seiner Geschichte. Im Jahr 1992 gründeten sich zwei private Initiativen, die Gesellschaft Berliner Schloss e.V. und der Förderverein Berliner Schloss e.V. um den Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien und viele Multiplikatoren. Der Förderverein veranstaltete in den Jahren 1993/1994 für eineinhalb Jahre eine farbige Fassadeninstallation des Schlosses. Sie wurde gemalt von den Pariser Ateliers Catherine Feff und am originalen Standort im Maßstab 1:1 mit dem weltgrößten Raumgerüst aufgestellt. Die Installation war privat finanziert über Spenden und unter anderem gesponsert von Thyssen-Hünnebeck. Damit kehrte das Schloss als Simulation an seinen Ort zurück, um den Berlinern die Notwendigkeit seines Wiederaufbaus ins Gedächtnis zu rufen. Dies war das erste sichtbare, nachhaltig bis heute wirkende Zeichen für die Initiative eines Wiederaufbaus. Auf diese Weise geriet das Schloss auch verstärkt ins Medieninteresse. Im Jahr 2001 gründete sich schließlich der gemeinnützige Verein Stadtschloss Berlin Initiative e.V. Der Verein setzt sich dafür ein, dass in der Innenstadt Berlins das neue Stadtschloss Berlin in Anlehnung an die historischen Abmessungen (äußere Kubatur) und mit Fassaden im barocken Stil unter Einbeziehung des Renaissanceflügels und des sogenannten Apothekerflügels‘ ausschließlich unter Verwendung privaten Kapitals errichtet wird. Dabei ist zur Finanzierung auch eine kommerzielle Nutzung vorgesehen. Dieses Konzept wurde jedoch von der Bundesregierung und dem Berliner Senat abgelehnt, weil es nicht zum Bundestagsbeschluss passt. Die Initiative setzt sich nunmehr für die Rekonstruktion des Rittersaals ein.

Pro und Kontra Wiederaufbau

Die Befürworter des Wiederaufbaus des Stadtschlosses haben unter anderem folgende Argumente:

  • Es würde die Lücke des historischen Stadtgrundrisses am Platz geschlossen.
  • Ein wesentliches Architekturensemble der Mitte Berlins werde wiederhergestellt und erhalte damit seinen Ankerpunkt zurück. Denn ein großer Teil der Gebäude des westlichen und nördlichen Umfelds war nicht nur um das Schloss herum gruppiert, sondern hat sich auch auf das Schloss bezogen. Insbesondere war die Straße Unter den Linden darauf ausgerichtet.
  • Ein Schlossneubau habe, wie auch das historische Stadtschloss als Mittelpunkt der Geschichte Berlins, Deutschlands und auch Preußens, identitätsschaffende Funktion.
  • Durch den Neubau würde die historische Mitte Berlins einen neuen belebenden Bezugspunkt erhalten.
    Der Wiederaufbau der Berliner Kommandantur sowie der Frauenkirche in Dresden seien ein Beweis dafür, dass auch ein Schlossneubau machbar sei.

Dagegen führen die Gegner des Wiederaufbaus unter anderem Folgendes an:

  • Ein wiedererrichtetes Gebäude einer vergangenen Zeitepoche wäre eine Absage an die Architektur der Gegenwart.
  • Eine mit dem Original exakt übereinstimmende Rekonstruktion (von Teilen oder des gesamten Objekts) sei sowieso nicht möglich, da dabei immer Details unbekannt seien, insofern sei jede Rekonstruktion eine Interpretation der Zeit, in der die Wiederherstellung durchgeführt werde.
  • Eine Rekonstruktion nach so langer Zeit widerspreche den Prinzipien des Denkmalschutzes, dessen Ziel es sei, Denkmale zu erhalten und zu pflegen, aber nicht historisierende Nachbildungen zu schaffen, die den Betrachter lediglich glauben machen, hier handle es sich tatsächlich um teilweise alte Bausubstanz.
  • Da es sich unter anderem um ein Symbol der Monarchie handelt, könnte ein Wiederaufbau als undemokratisches, antimodernistisches politisches Signal aufgefasst werden.
  • Die gegenwärtige Haushaltslage sowohl Berlins als auch der Bundesrepublik verbiete derartige Großprojekte mit unbestimmtem wirtschaftlichem Nutzen.
  • Die derzeit geplante Nutzung als Humboldt-Forum wäre durch eine historisierende Fassade eingeschränkt bzw. würde keine optimalen Bedingungen für ein derartiges Forum schaffen. Wenn ein Humboldt-Forum gewünscht ist, sollte es innerlich den daraus resultierenden Nutzungsanforderungen folgen, anstatt ‚vorzugaukeln‘, ein Stadtschloss zu sein. Dies sollte auch nach außen sichtbar sein. Die Funktionen des Gebäudes sollten sich nicht in überkommene Formen (Fensteröffnungen etc.) zwängen lassen.

Die sehr engagierte Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern führen viele auf die politische und kulturelle Symbolik des Bauwerks zurück.


Entscheidung für den Wiederaufbau

Im Laufe der Diskussion um den Wiederaufbau des Schlosses plädierten viele prominente Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und auch Sport für das Schloss, während sich viele Architekten und einige Denkmalpfleger kritisch gegenüber einer Rekonstruktion äußerten.

In der von der Bundesregierung und dem Berliner Senat im Jahr 2000 eingesetzten Internationalen Expertenkommission Historische Mitte Berlin unter der Leitung des früheren Wiener Wohnbaustadtrates Hannes Swoboda bestand ein hohes Maß an Übereinstimmung, dass sich die Neubebauung des Platzes an der Struktur und am Erscheinungsbild des ehemaligen Schlosses orientieren müsse. Das Votum für die Rekonstruktion der barocken Fassaden und des Schlüterhofes fiel dagegen „weniger deutlich“ aus. So schlug die Kommission im Jahr 2002 vor, dass ein Neubau in der Kubatur des Schlosses auf dem originalen Standort aus ästhetischen wie urbanen Gesichtspunkten anstelle des abzureißenden Palastes der Republik entstehen soll.

Die Kommission legte für eine Bebauung des Schlossplatzes eine architektonische Alternative vor: Einen Wettbewerb für einen Neubau, der auf jeden Fall die Kubaturen des Schlosses aufnehmen müsse und in dessen Rahmen ebenso ein Wiederaufbau des Schlosses ermöglicht werden könne („Lasst Schlüter beim Wettbewerb mitmachen“) oder alternativ dazu eine Entscheidung zum unmittelbaren Wiederaufbau des Schlossäußeren mit mindestens den drei beherrschenden Barockfassaden und dem kleineren Schlosshof.

Im Juli 2002 stimmte der Bundestag mit annähernder Zweidrittelmehrheit für die zweite Variante, also für den unmittelbaren Wiederaufbau des Schlossäußeren und das Humboldt-Forum. Er hatte aber noch nicht den Charakter eines endgültigen Baubeschlusses, da dieser erst mit der Bewilligung der finanziellen Mittel im Rahmen des Haushalts nach den Wettbewerben zustande kommt. Hier spielte die kritische Haushaltslage des Bundes eine wichtige Rolle. Die Debatte um einen Wiederaufbau war damit also noch nicht beendet, selbst dann nicht, als der Bundestag seinen Beschluss vom Vorjahr im November 2003 fast einstimmig bestätigte. Im August 2005 stellte die Bundesregierung der Öffentlichkeit Auszüge (die gesamte Studie ist weiterhin unter Verschluss) einer Machbarkeitsstudie vor, nach der die Verwirklichung des Bauvorhabens in Form eines Public Private Partnership möglich sein könnte. Im November 2007 bewilligte der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung im Rahmen der Haushaltsberatungen einen ersten Zahlungsabschnitt von 105 Mio. Euro, davon wurden zunächst 102 Mio. Euro gesperrt, drei Millionen wurden für den Architektenwettbewerb Wiedererrichtung des Berliner Schlosses – Bau des Humboldt-Forums sofort freigegeben. Die Sperre der Finanzierung des ersten Bauabschnitts wurde mit der Kostenkalkulation begründet, für die man die Sicherheit brauche, dass der gesamte Kostenrahmen von 552 Mio. Euro, den das Bundesbauministerium beantragt hatte, durch die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs bestätigt und eingehalten würde. Es ginge nicht um eine Sperre gegen den Bau an sich, sie sei als Vorsichtsmaßnahme zu sehen, um eine zu teure Variante bei den Entwürfen auszuschließen.

Der Architektenwettbewerb wurde daraufhin im Dezember 2007 ausgeschrieben; ein Jahr später sollte die berufene und mit Vertretern aller Schlossoptionen äußerst heterogen besetzte Jury ihre Entscheidung treffen.

Am 28. November 2008 entschied sich die Jury für den weitgehend am historischen Vorbild orientierten Entwurf des italienischen Architekten Francesco Stella. Die Jury habe sich einstimmig für sein Modell ausgesprochen, um damit das Humboldt-Forum umzusetzen. Dem Italiener sei es gelungen, „einerseits das Historische wieder entstehen zu lassen und andererseits eine moderne Antwort“ zu finden. Diese besteht sicherlich darin, dass sich die frei gestaltbare Ostseite an italienische Loggienfassaden anlehnt und eine gewisse Leichtigkeit herzustellen vermag.

Bis zum Herbst 2009 sollte aus der Entwurfsplanung die Ausführungsplanung in enger Abstimmung mit den künftigen Nutzern entwickelt werden.

Juristisches Zwischenspiel
Am 11. September 2009 hat die Vergabekammer des Bundeskartellamts aufgrund einer Beschwerde des unterlegenen Mitbewerbers des Architektenwettbewerbs Hans Kollhoff entschieden, dass der Stadtschloss-Vertrag mit dem Büro Franco Stella ungültig ist. Die Gründe liegen vor allem im Verstoß gegen die Vergaberichtlinie, dass ein beauftragtes Büro eine der Größe des Auftrags angemessene Größe mit entsprechendem Umsatz haben muss. Außerdem wurde festgestellt, dass im Wettbewerbsablauf „mangelnde Transparenz“ geherrscht habe. Das Bundesbauministerium kündigte sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts an. Die Bauherren sind sich sicher, dass die juristischen Fußangeln der Mitwettbewerber keine aufschiebende Wirkung für den Zeitablauf des Projekts haben. 0Anfang Dezember 2009 hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht die Vergabe an Stella für rechtmäßig erklärt. Danach hätten die im Architektenwettbewerb unterlegenen Mitbewerber über den bevorstehenden Vertragsabschluss mit Stella informiert werden müssen, durch die nun erfolgte gerichtliche Überprüfung seien aber ihre Rechte gewahrt worden.

Nutzungskonzept – Empfehlung der Expertenkommission
Als Nutzungskonzept für den Komplex hatte der Abschlussbericht der Expertenkommission im Jahr 2002 empfohlen, ein Humboldt-Forum im Schloss zu errichten. Hierzu sollen die Sammlungen der außereuropäischen Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus dem Museumszentrum Dahlem in das Schloss verlegt werden und zusammen mit den Sammlungen der europäischen Kunst auf der Museumsinsel einen Ort der Weltkultur bilden. Ergänzt wird diese Vorstellung mit der Errichtung des Wissenschaftsmuseums (unter anderem medizinische Sammlungen Rudolf Virchows) und einer zum Konzept passenden Bibliothek der Zentral- und Landesbibliothek Berlin sowie der Staatsbibliothek zu Berlin. Ein „Agora“ genanntes Veranstaltungszentrum soll dem Dialog der Kulturen der Welt dienen.

Das neue Schloss soll dementsprechend nicht nur um des Schlosses willen entstehen, sondern konkrete Aufgaben übernehmen. Auf diese Weise soll an die wissenschaftlich-kulturelle Vergangenheit des Ortes angeknüpft werden, an dem sich Staat (Schloss), Kirche (Dom), Wissenschaft (Museen) und Militär (Zeughaus) vereinen.

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