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Der Oberflächenverkehr 1929-1945

 

Mit dem Zusammenschluß der Berliner Straßenbahn-Betriebs-GmbH, der Allgemeinen Berliner Omnibus-Actien-Gesellschaft (ABOAG) und der Hochbahngesellschaft zu einem gemeinsamen Verkehrsunternehmen begann am 1. Januar 1929 auch ein neuer Abschnitt im Oberflächenverkehr Berlins.

Wie sah es bei der Gründung der BVG in den Straßen Berlins aus?
Die Zahl der Kraftfahrzeuge war an heutigen Verhältnissen gemessen noch gering. Im Oktober 1928 zählte man in ganz Berlin erst 81.300 Kraftfahrzeuge, davon 28.200 PKW, 29.700 Motorräder und 13.600 Lastkraftwagen. Hinzu kamen 9.100 Kraftdroschken. 1932 waren es schon 43.300 Personenkraftwagen und 42.700 Motorräder.
Von der Straßenbahn übernahm die BVG ein ausgedehntes Netz von 89 Linien mit 634 km Strecken- und 1.600 km Linienlänge, mit rund 4.000 Trieb- und Beiwagen und 14.400 Mann Belegschaft.

Vom Autobus kam zur BVG ein ebenfalls recht dichtes Netz von 35 Linien mit 338 km Linienlänge, 618 Wagen und rund 4.500 Mann Personal. Dabei ist besonders hervorzuheben, daß auch das Bus-Netz im Unterschied zu allen anderen Städten Deutschlands bereits damals ein abgerundetes lnnenstadtnetz darstellte.

1928 hatten die Betriebsleistungen bei der Straßenbahn 170, 1 Millionen Wagenkilometer und beim Autobus 36,7 Millionen Wagenkilometer betragen, der Verkehrsumfang stellte sich auf 899 Millionen Straßenbahn- und 223 Millionen Autobus Fahrgäste.

Der Berliner Nahverkehr befand sich in diesen Jahren in einer ständig steigenden Tendenz, dem sich auch die neue BVG anpassen mußte: 1929 wurde das Straßenbahnnetz um vier Linien mit zusammen 74,5 km Linienlänge erweitert, weitere zehn Linien wurden um insgesamt 17 km verlängert. Das Streckennetz stieg damit auf 643 km, die Linienlänge der nunmehr 93 Linien auf 1.686 km.

Noch beachtlicher war der Zuwachs im ersten BVG-Betriebsjahr beim Autobus. Acht Stadt- und zwei die Stadtgrenze überschreitende Linien wurden neu eingerichtet, neun Linien wurden zumTeil erheblich verlängert. Die Streckenlänge des Autobusnetzes stieg auf 322 km, die Linienlänge auf 420 km.
929 Millionen Straßenbahn- und 277 Millionen Autobus-Fahrgäste belegen anschaulich diesen Verkehrszuwachs. Im Autobusbereich stieg das Platzangebot mit dem Einsatz neuer dreiachsiger Doppeldeckwagen mit je 75 Plätzen.

Innerbetrieblich bedeutete der Zusammenschluß auch die Bildung einer gemeinsamen Betriebsleitung für den Oberflächenverkehr, das hieß den Zusammenschluß der verschiedenen Betriebsaufsichten, Fahrscheinverwaltungen, Fahrplanbearbeitungen und allgemeiner Verwaltungsbereiche zu einer Verkehrsabteilung. Die bisherigen vier Straßenbahninspektionen erfuhren eine Neueinteilung in sechs Betriebsinspektionen. Jede Inspektion war sowohl für die Bedienung von Straßenbahn- als auch von Autobuslinien zuständig. Damit war für eine einheitliche Betriebsführung im Oberflächenverkehr Sorge getragen.

Ein Uberbleibsel der "guten alten Zeit" verschwand dagegen aus dem Verkehrsbild: Die zuletzt nur noch werktags betriebene Autobus-Eillinie "E": Villenkolonlie Grunewald Zeughaus (ursprünglich als «Luxuslinle» bezeichnet) wurde am 7. Dezember 1929 endgültig eingestellt. Diese Linie, einmal als Verbindung vom Grunewald zur Börse eingerichtet und irgendwie auch die «Paradelinie» der ABOAG, hatte vor dem Ersten Weltkrieg guten Zuspruch zu verzeichnen. Während des Krieges stillgelegt, erbrachte sie ab Mitte der zwanziger Jahre keine befriedigenden Ergebnisse mehr. Der Mißerfolg dieser Linie war sicherlich in der Zunahme der Privatwagen und Taxis zu sehen, auf die die «Börsianer» umstiegen - ein Zeichen beginnenden Wohlstandes oder ein schon damals gewolltes Statussymbol?

Alle neu in Betrieb kommenden Autobusse erhielten einen Vorderausstieg, wodurch der Fahrgastwechsel im unteren Wagenteil erheblich beschleunigt werden konnte.
Besonderer Beliebtheit erfreute sich das Ausflugsprogramm, «Sonderfahrten in die Mark Brandenburg». Zu den bestehenden Zielen Rheinsberg, Freienwalde, Lübbenau und Strausberg kamen neu hinzu Chorin, Lehnin, Schwedt, Paretz und Neuruppin.

15. Februar 1930. Ein historischer Tag in der Geschichte der Straßenbahn. Die beiden einzigen Meterspur-Straßenbahnstrecken im Südwesten Berlins, die aus der ersten elektrischen Straßenbahn der Welt in Lichterfelde hervorgegangen waren, wurden nach fast fünfzigjahriger Betriebszeit auf Autobusverkehr umgestellt, weil dieses überalterte Straßenbahnnetz in Angleichung an das in Normaispur ausgeführte übrige Berliner Gleisnetz hätte umgebaut und modernisiert werden müssen.

Am 1. September 1930 wurde der Straßenbahn-Betriebshof Charlottenburg in der Königin-Elisabeth-Straße eröffnet. In der Rundumbebauung des Betriebshofes wurden Wohnungen vornehmlich für BVG-Angehörige gebaut.

Ende des Jahres 1932 befanden sich sechs Autobusse mit Dieselmotor im Einsatz, nachdem bei der BVG zwei Jahre zuvor erste Versuche zur Verwendung von Schweröl begonnen hatten.
Zur besseren Anbindung an das innerstädtische Verkehrsnetz wurden neue Autobuslinien eingerichtet: A18: Lankwitz - Kaiserallee (Bundesallee) - Bahnhof Zoo (1. Februar 1933), A33: U-Bahnhof Krumme Lanke - Klein Machnow, Bürgerhaussiedlung (1. April 1933), und schließlich fand am 24. Dezember 1933 die Inbetriebnahme der ersten Oberleitungsomnibuslinie (Obus A 31) in Berlin zwischen Spandau und Staaken statt.

Die beginnenden dreißiger Jahre waren zunächst von einer allgemeinen wirtschaftlichen Stagnation gekennzeichnet, die sich nach dem stürmischen Neubeginn auch in einem Rückgang des Nahverkehrs widerspiegelte: Zum Jahresschluß 1933 betrug die Streckenlänge bei der Straßenbahn 624 km, beim Autobus 343 km. Es verkehrten 72 Straßenbahnund 43 Autobuslinien bei einem Fahrzeugpark von 3.240 Straßenbahnwagen und 590 Autobussen.

1934 übernahm die BVG drei bis dahin von der Reichspost betriebene Autobuslinien und gliederte sie in ihr Busnetz ein: Bahnhof Zehlendorf Mitte - Klein Machnow - Gütergotz durch Verlängerung der ehemaligen Linie A 7 als neue Linie M bis Klein-Machnow und der A-Linie Klein-Machnow - Gütergotz, Mahlsdorf - Hönow durch Verlängerung der Linie A 39 als neue Linie H und Hermsdorf - Glienicke - Schulzenhöhe durch Verlängerung der Linie G.

Ab 31. Oktober 1934 mußte die auf der Stammstrecke der ersten Pferdebahnlinie Deutschlands, der Charlottenburger Chaussee im Berliner Tiergarten, verkehrende Straßenbahn durch Autobusse ersetzt werden: Es begann der Umbau dieses Straßenzuges zur, «Ost-West-Achse», heute Straße des 17. Juni. Im Mai1935 erfolgte die Betriebsaufnahme der zweiten Obuslinie Breitenbachplatz - Marienfelde, Bahnstraße (A32). In Anbetracht der 1936 stattfindenden XI. Olympischen Spiele wurde die Zusammenarbeit aller Berliner Verkehrsträger und der zuständigen Behörden in einem Arbeitsausschuß der Berliner Verkehrsträger für den Olympiaverkehr vereinbart.

Das Jahr 1936 stand ganz im Zeichen der Olympischen Spiele, die vom 1. bis 16. August in Berlin ausgetragen wurden. Die Verkehrsbedienung erforderte einen in diesem Maße bisher nicht erreichten Leistungseinsatz. Für die Bedienung des Olympiastadions wurden drei neue Straßenbahnlinien eingerichtet:

  • 106 Rennbahn Mariendorf - Stadion,
  • 145 Reinickendorf, Teichstraße - Stadion
  • und 158 Lichterfelde, Händelplatz - Stadion.

Die Linien 72 und 93 wurden über das Olympiastadion bis nach Pichelsberg, die Linie 58 von ihrem Endpunkt Mansteinstraße bis zum Bahnhof Neukölln verlängert.
Den Adolf-Hitler-Platz (heute Theodor-Heuss-Platz) überquerten zeitweise bis zu 70 doppeltbehängte Straßenbahnzüge je Stunde und Richtung, was einer Beförderungsleistung von 14.000 Fahrgästen entsprach.
Zur Bedienung der Regattastrecke in Grünau wurde die dort verkehrende Straßenbahnlinie 86 ebenfalls verstärkt. Im Autobusbetrieb wurden für die Dauer der Olympischen Spiele drei ständig verkehrende Linien zusätzlich eingerichtet: Alexanderplatz - Unter den Linden - Charlottenburger Chaussee - Stadion, Anhalter Bahnhof - Potsdamer Platz - Wittenbergplatz - Bahnhof Halensee - Stadion sowie Rathaus Steglitz - Kaiserallee (Bundesallee) - Bahnhof Zoo - Kaiserdamm - Stadion.

An Tagen mit besonderen Veranstaltungen verkehrten zusätzlich vier weitere Autobuslinien vom Bahnhof Zoo, Stettiner Bahnhof, Zeughaus/Unter den Linden und Bayerischen Platz zum Stadion und fünf Linien zu den Regatta-Veranstaltungen in Grünau, beginnend am Bahnhof Zoo, Bayerischen Platz, Stettiner Bahnhof, Zeughaus und Rathaus Steglitz.

Eine weitere ständige Verbindung führte vom Bahnhof Zoo über die Heerstraße zum Olympischen Dorf bei Döberitz. Diese war bereits im Oktober 1935 zur Besichtigung des Olympischen Dorfes als Bedarfslinie eingerichtet worden.

Außerdem wurden im Oberflächenverkehrfür die Dauer der Spiele der Nachtverkehr erweitert und verstärkt. Zur Bewältigung der Verkehrsaufgaben wurden 30 neue Autobusse in Dienst gestellt.

Für den Verkehr zum Reichssportfeld standen damit allein 120 dreiachsige Doppeldeck-Autobusse mit je 75 Plätzen zur Verfügung. Zur besseren Unterrichtung der Fahrgäste wurde von der BVG erstmalig ein Lautsprecherwagen am Südtor (Coubertinplatz) eingesetzt.
In Anlehnung an das bekannte und für die U-Bahn verwendete Kennzeichen wurden erstmalig auch derartige HinweistafeIn für den Oberflächenverkehr am Olympia-Stadion aufgestellt. Für die Straßenbahn war dies ein weißes «St» auf rotem, für den Autobus (damals noch Omnibus) ein weißes «O» auf violettem Grund.
Die erhebliche Leistungssteigerung war mit dem vorhandenen Personalbestand durchgeführt worden, mit einer ungewöhnlichen Einsatzbereitschaft und Begeisterung, aber auch mit Einschränkungen des Privatlebens, Eigenschaften der BVGer, die sich unter anderen Umständen und zu anderen Zeiten noch öfter wiederholen sollten.

Im August 1937 beging die Stadt Berlin ihr 700 jähriges Jubiläum. Im Rahmen der verschiedenen vom 10. bis 25. August abgehaltenen Veranstaltungen entfiel auf die BVG die Bedienung von Olympia-Stadion, Waldbühne, Maifeld und Treptower Park.
Am 7. Dezember 1937 wurde der Autobus-Betriebshof Zehlendorf in der Winfriedstraße eröffnet. Von der Planung her ist er als südwestlicher Stützpunkt gedacht. Die dort verkehrenden Linien wurden bis dahin von den Betriebshöfen Helmholtzstraße und Treptow mit einem erheblichen Aufwand an Zuführungskilometern bedient.

Im letzten Friedensjahr 1938 spiegelt sich der Oberflächen-Verkehrsbereich in folgenden Zahlen wieder:

  Straßenbahn Autobus
Anzahl der Fahrzeuge 2.823 667
davon Triebwagen 1.557 -
Beiwagen 1.266 -
Linien 71 54
Betriebshöfe 16 5
Linienlänge (km) 1.365 522
Personalbestand
Lohnempfänger 11.563 4.191
Angestellte 1.124 454


485 der 667 vorhandenen Autobusse waren Doppeldecker, von diesen waren 322 noch mit Benzin-, 163 mit Dieselmotoren ausgerüstet.
Am 1. Januar 1939 waren mit der Fertigstellung des ersten Teilstücks der Ost-West-Achse und der damit verbundenen Herausnahme der Straßenbahn vom Großen Stern Verkürzungen der Linien 4 und 19 und die Einstellung der Linie 56 notwendig.

Der Straßenbahn-Betriebshof Halensee in der Westfälischen Straße wurde am 31. August 1939 geschlossen; hier entstand 19 Jahre später ein neuer Autobus-Betriebshof an gleicher Stelle.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 trat im ganzen gesehen in der Benutzung der Verkehrsmittel zunächst keine wesentliche Veränderung ein. Der entstandene personelle Engpaß durch Einberufungen zum Kriegsdienst wurde durch Dienstverpflichtete und Arbeitsmaiden ausgeglichen. Als Folge der Schwierigkeiten in der Treibstoff- und Reifenversorgung ergab ich in steigendem Maße eine Verlagerung des Autobusverkehrs auf Straßenbahn und U-Bahn. Zur Erhöhung des Triebwagenbestandes wurde im Verlauf des Krieges eine Anzahl der Arbeitstriebwagen für die Personenbeförderung umgebaut.

Der verbliebene, eingeschränkte Autobusbetrieb wurde zum Teil auf Flüssiggas, zum Teil auf Leucht- (Stadt-) Gas umgestellt.

Durch die Kriegsbedingte Einschränkung des Lastkraftwagenverkehrs mußte die Straßenbahn auch für den Transport zum Beispiel von Kartoffeln, Salz, Mehl, Gemüse und anderen Gütern eingesetzt werden. Eine Reihe von Güterbahnhöfen erhielt Anschluß an das Straßenbahnnetz.

In gleicher Weise wurden Gleisverbindungen zu Wasserstraßen hergestellt. Als Wagenpark standen hierfür hauptsächlich Arbeitswagen und Loren zur Verfügung, außerdem wurden die Mitteleinstieg-Beiwagen als Gütertransportwagen zweckentfremdet.

Ende 1940 waren wegen Reifen- und Treibstoffmangel von den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen 730 Autobussen über 300 Wagen stillgelegt.
Am 23. April 1942 wurde das Obus-Netz auf drei Linien erweitert (Linie 97: S-Bahnhof Steglitz — Mariendorf, Kaiserstraße). Gleichzeitig wurden Anhänger im Autobus- und Obusbetrieb eingeführt.
1. März 1943: Zum ersten Mal erlebte Berlin nach vielen anderen lndustriestädten die volle Wucht eines konzentrierten Luftangriffes. Ganze Straßenzüge wurden zerstört, das gesamte Verkehrswesen war in größerem Umfang in Mitleidenschaft gezogen. Im November wurde bei einem Luftangriff auch die Hauptverwaltung der BVG in der Köthener Straße restlos vernichtet.
In Ersatzbüros in der Klosterstraße konnte der Verwaltungsdienst provisorisch weitergeführt werden.
Am 26. Juni1944 wurde als Ersatzfürdie Autobuslinie 34 Spandau — Kladow eine Iinienmäßige Personenschiffahrt auf der Havel von Pichelsdorf über Kladow nach Wannsee aufgenommen. 16 Dampfer verschiedener Reedereien verkehrten im Auftrag der BVG anfangs im 30-Minuten-Abstand.

Steigender Mangel in der Strom- und Treibstoffversorgung erzwang weitere Einschränkungen, von denen der Autobusbetrieb wieder am härtesten betroffen war. Die fortschreitenden Kriegsereignisse machten eine stufenweise Einschränkung des Fahrbetriebes erforderlich: 50 bis 25 Prozent und Anfang 1945 nur noch zehn Prozent der ursprünglichen Leistungen.

Zuletzt durften die Verkehrsmittel nur noch mit »Berechtigungsausweis« in drei Verkehrsstufen benutzt werden.

Sonnabend, 21. April 1945: Der Kampf um Berlin begann. Für diesen Tag erhielt die BVG ein Stromkontingent von 35.000 kWh und konnte damit neben mehreren U-Bahnlinien noch notdürftig einige Stadtteile von 6.00 bis 20.00 Uhr mit der Straßenbahn bedienen. Ab 23. April lag praktisch der gesamte BVG-Betrieb still; einzelne Linien verkehrten jedoch, wo die Umstände und Kampfhandlungen dies gestatteten, noch kurzzeitig auf Teilstrecken.

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