Es
ist fast wie ein Traum. Die Wilhelmstraße gehört uns. Der Führer arbeitet
bereits in der Reichskanzlei. Wir stehen oben am Fenster, und Hunderttausende
und Hunderttausende von Menschen ziehen im lodernden Schein der Fackeln
am greisen Reichspräsidenten und jungen Kanzler vorbei und rufen ihnen
ihre Dankbarkeit und ihren Jubel zu. So beschreibt Joseph Goebbels eines
seiner wirkungsvollsten Arrangements - den großen Fackelzug am Abend des
30. Januar1933, jenes Tages, an dem Hitler aus Hindenburgs Hand die Urkunde
seiner Ernennung zum Reichskanzler erhalten hatte. Dabei gab es außer
Hitler nur zwei Nationalsozialisten im Kabinett; allgemein galt Alfred
Hugenberg, Deutschnationalen Parteichef, Reichswirtschaftsminister und
Herr des größten Berliner Pressekonzerns, als der mächtigste Mann der
neuen Reichsregierung. Aber mit Wilhelm Frick als Reichs- Innenminister
und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich, dem aber als kommissarischem
Innenminister von Preußen der gesamte preußische Polizeiapparat unterstand,
lag nun ausgerechnet die Verantwortung für die innere Sicherheit und Ordnung
in den Händen der NSDAP. Statt den Terror von SA und SS zu bremsen, wurde
er nun von Göring im Zeichen eines ,,letzten" Wahlkampfes - zur Neuwahl
von Reichs- und Landtag am 5. März 1933 - erst richtig organisiert. Tausende
von preußischen Beamten und Polizisten wurden entlassen, 40000 ,,Hilfspolizisten",
vorwiegend aus der SA und SS, traten an ihre Stelle.
NS-Terror und Reichstagsbrand
In Berlin und im ganzen Reich begann ein beispielloser
Terrorfeldzug gegen politische Gegner und Juden. Binnen kurzem gab es
in Berlin über 50 ,,wilde" Konzentrationslager in Kasernen und ,,Sturmlokalen"
von SA und SS, in denen Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter
und ,,linke" Intellektuelle geprügelt, gefoltert, in vielen Fällen
auch ermordet wurden.
Im Karl-Liebknecht-Haus, der KPD-Zentrale, wurden angebliche Umsturz-
und Bürgerkriegspläne ,,entdeckt", aber nie veröffentlicht.
Alles deutete auf eine Aktion der Nazis hin, die den Vorwand zum endgültigen
Staatsstreich geben könnte. Und in der Tat brannte sechs Tage vor der
Wahl, am Abend des 27. Februar 1933, der Reichstag. Hitler und Göring,
der auch Reichstags-Präsident war, erklärten sofort an Ort und Stelle,
dies sei das Finale zum kommunistischen Aufstand. Noch in der Nacht verhaftete
man rund 5000 Oppositionspolitiker in Berlin und im ganzen Reich und brachte
sie in Konzentrationslager. Mit der Notverordnung vom 28. Februar 1933
,,zum Schutz von Volk und Staat" waren die wichtigsten Grundrechte
und Grundprinzipien der Weimarer Verfassung und des Rechtsstaates außer
Kraft gesetzt. Der legalisierte Terror wurde zur eigentlichen Verfassung
des ,,Dritten Reiches" hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben,
sondern hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts",
erklärte Göring zwei Tage vor der Wahl in einer öffentlichen Rede.
Von der Reichstagswahl
zum Führerstaat
Doch trotz des Terrors und einer Rekord-Wahlbeteiligung
von 88,7 %0 (in Berlin 87,1 %) erhielten die Nationalsozialisten am 5.
März 1933 bei den Reichstagswahlen nicht die Mehrheit: Nur 43,9 %, in
Berlin sogar nur 34,6 % der Wähler stimmten für sie. Zusammen mit dem
Deutschnationalen Koalitionspartner waren es 51,9 % (in Berlin 45,6%).
Das hätte für eine verfassungsmäßige Mehrheitsregierung, wenn auch knapp,
gereicht. Aber Hitler wollte die ganze Macht. Er erhielt sie, zwei Tage
nach der propagandistischen Inszenierung des ,,Tages von Potsdam"
mit Ansprachen Hindenburgs und Hitlers in der Garnisonkirche an die Reichstags-
Abgeordneten, am 23. März 1933 mit dem Ermächtigungsgesetz. Der Reichstag,
der nun in der Kroll-Oper
zusammenkam, schaltete sich dadurch selbst aus. Nur die SPD stimmte dagegen,
die KPD- Mandate waren für ungültig erklärt worden. Die KPD-Abgeordneten
(ebenso wie ein Teil der SPD-Abgeordneten) waren verhaftet oder untergetaucht.
Kurz danach wurde Goebbels ,,Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda".
Wenig später sah sich der ,,starke Mann" Hugenberg ausgebootet. Nun
ging es Schlag auf Schlag, und immer war Berlin nicht der einzige, aber
der Hauptschauplatz: Am 1. April zeigte der
inszenierte ,,Boykott" jüdischer Geschäfte, daß der Weg in den mörderischen
Rassenwahn begonnen hatte. Dann wurden die Verwaltungen des Reiches, der
Länder und der Gemeinden ebenso ,,gleichgeschaltet" wie die Justiz.
Nachdem der 1. Mai 1933 als ,,Tag der nationalen Arbeit" auf dem
Tempelhofer Feld wie eine riesige Propaganda- Schau inszeniert worden
war, verbot man die Gewerkschaften, die an der Maifeier noch aktiv teilgenommen
hatten. Alle Parteien, außer der NSDAP, wurden verboten oder zur Auflösung
gezwungen. Mit der ,,Verbrennung undeutschen Schrifttums", in Berlin
auf dem Opernplatz vor der Universität, ergriff die ,,Gleichschaltung"
auch Kultur und Wissenschaft. Bei all dem war der Rundfunk, den Goebbels
sogleich in seine Hand gebracht hatte, eines der wirkungsvollsten Propaganda-
Instrumente. Schließlich erfaßte die ,,Gleichschaltung" nahezu alle
Lebensbereiche.
Sie machte auch vor den eigenen Reihen nicht halt,
wie die Mordaktion gegen den angeblichen ,,Röhm-Putsch" der SA am
30. Juni 1934 zeigte. Während Hitler in Bad Wiessee und München die SA-Führer
ermorden ließ, verrichteten in Berlin Göring, der SS-Chef Himmler und
sein Stellvertreter und Chef des Sicherheitsdienstes (SD), Reinhard Heydrich,
das gleiche blutige Werk und ließen dabei auch alte politische Gegner
und Konkurrenten ermorden. Das Reichskabinett erklärte das Blutbad ,,als
Staatsnotwehr" für ,,rechtens".
Als der greise Reichspräsident von Hindenburg am 2. August 1934 starb,
wurde Hitler als ,,Führer und Reichskanzler" auch Staatsoberhaupt
und militärischer Oberbefehlshaber. Damit war der Weg zum ,,Führerstaat"
und zum ,,SS-Staat" endgültig frei. Zu den Zentralen des Unrechtsstaates,
dessen Hauptstadt Berlin jetzt war, gehörte neben der Reichskanzlei jener
Gebäudekomplex von SS und Gestapo an der Prinz Albrecht-Straße und Wilhelmstraße,
in dessen Kellern zahllose Gegner des NS-Regimes verhört und gefoltert
wurden. Seine ,,Außenstellen" waren die Konzentrationslager, deren
nächstes großes, Oranienburg/Sachsenhausen' gleich nördlich von Berlin
lag.
Als Alternative zur Anpassung der überwiegenden Mehrheit
und zum Widerstand blieb die Emigration - die ,,innere" und die tatsächliche,
die oft eine Flucht war, um das Leben zu retten. Schon bald nach dem 30.
Januar1933 war Berlins wissenschaftliches, kulturelles und künstlerisches
Leben der geistigen Vielfalt beraubt, die es zum internationalen Anziehungspunkt
gemacht hatte.
Verfolgung
und Widerstand in Berlin
Vom
,,Judenboykott" zum Massenmord
Mit zu den ersten Opfern nationalsozialistischer
Verfolgungen und Brutalitäten gehörten die Berliner Juden. Ihr Anteil
an der Bevölkerung des Reiches und Berlins war - entgegen dem Eindruck,
den die NS-Propaganda erweckte - minimal und schon vor 1933 rückläufig.
Als Hitler an die Macht kam, gab es in Deutschland rund 500000 Juden,
weniger als ein Prozent aller Deutschen. Etwa ein Drittel von ihnen lebte
in Berlin, das damit die Stadt mit dem bei weitem größten jüdischen Bevölkerungsanteil
war. Aber selbst hier machte er nur vier Prozent aus.
Die Zahlen sagen jedoch wenig über
die besondere Bedeutung der Juden im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen
und kulturellen Leben der Stadt. Gerade im Berlin der Weimarer Republik
gab es eine relativ hohe Zahl von prominenten Juden (um nur einige wenige
zu nennen: Walther Rathenau als Industriellen und Politiker, Karl Fürstenberg
als Bankier, Albert Einstein als Wissenschaftler, Max Liebermann als Maler,
Kurt Tucholsky als politischen Schriftsteller, Max Reinhardt als Regisseur,
Else Lasker- Schüler als Dichterin, Hugo Preuß als einen der ,,Väter"
der Reichsverfassung von 1919, Samuel Fischer, die Gebrüder Ullstein,
Rudolf Mosse als Verleger, Theodor Wolff als Chefredakteur des ,,Berliner
Tageblatts"). Dennoch gehörte der weitaus überwiegende Teil der Juden
Berlins dem Mittelstand an, der unter den schweren wirtschaftlichen Belastungen
der Nachkriegszeit genauso gelitten hatte wie die übrige Bevölkerung Berlins.
Zu den ,,Ostjuden", die zumeist in ärmlichen Verhältnissen im "Scheunenviertel"
nördlich vom Alexanderplatz lebten, gehörten von den Berliner Juden 1933
allein rund 50000. Ihnen galten schon im März und April 1933 umfangreiche
Razzien.
Der ,,Judenboykott" am 1. April 1933 machte endgültig klar, daß es
hier nicht nur um ,,Übergriffe" der siegestrunkenen SA ging. Berufsverbote
für jüdische Beamte, Rechtsanwälte, Notare, Journalisten und Kassenärzte
waren die schnell folgenden nächsten Schritte. Jüdische Fabriken, Geschäfte,
Banken, Verlage wurden ,, arisiert", indem man die Inhaber zum Verkauf
weit unter Wert zwang. Die ,,Nürnberger Gesetze" von 1935 machten
die deutschen Juden endgültig zu Staatsbürgern minderen Rechts. Politische
Rechte und die Verleihung von Ehrenämtern waren jetzt abhängig vom Nachweis
der ,,arischen Abstammung", Eheschließungen zwischen Juden und Nichtjuden
wurden verboten.
Olympische Spiele
und 700-Jahr-Feier Dagegen förderte man neben der Rüstung gerade
in der Hauptstadt zahlreiche Prestige Objekte. Vieles ging allerdings
auf längst vorhandene Planungen zurück: so auch die Olympischen Spiele
von 1936. Sie wurden zur größten von den Nationalsozialisten inszenierten
Schau in Berlin, die zugleich dem neuen Regime mehr internationales Ansehen
bringen und seine - bis zum Abschluß der Aufrüstung noch nötige - Friedensliebe
demonstrieren sollte. Zentrum der Spiele war das neue, 100.000 Zuschauer
fassende Olympia - Stadion, inmitten neuer Schwimm-, Reit-, Hockey- und
Tennisstadien. Für Freilicht-Aufführungen kam die Dietrich-Eckart-Bühne,
die heutige Waldbühne, mit 20000 Plätzen hinzu. Als Aufmarschplatz für
250000 Menschen entstand hinter dem Olympiastadion das Maifeld.
16 Tage im August 1936 demonstrierte das Regime hier seine vermeintliche
Weltoffenheit und verbarg die rassistischen Parolen. Doch dem farbigen,
mehrfachen Olympiasieger Jesse Owens verweigerte Hitler die persönliche
Gratulation. Über den Rundfunk gab es 368 Übertragungen innerhalb Europas
und rund 800 nach Übersee. Erstmals erprobte man das Fernsehen in größerem
Maßstab. In 28 öffentlichen Fernsehstuben oder an noch seltenen privaten
Empfangsgeräten konnten die Berliner die Spiele auch außerhalb der Stadien
verfolgen - zum Teil bereits in ,,Live"-Übertragungen. Bald nach
den Olympischen Spielen wurden die jüdischen Sportvereine verboten und
viele Arbeitersportler verhaftet. Dennoch fanden 1937 das erste ,,Internationale
Stadionfest' (ISTAF) und 1938 die erste Handball-Weltmeisterschaft in
Berlin statt.
In die 700-Jahr-Feier Berlins im August 1937 war das Olympia-Stadion mit
einer Darstellung vornehmlich militärisch geprägter Ereignisse aus der
Stadtgeschichte ebenfalls einbezogen. Bei diesem Spektakel hielt sich
die NS-Prominenz allerdings zurück, weder Hitler noch Göring nahmen teil.
Der Gauleiter Joseph Goebbels beherrschte die Szene.
Zentrum des Widerstands
ist Berlin Berlin ist von Anfang an auch ein
Zentrum des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gewesen. Kommunisten,
Sozialdemokraten und Gewerkschafter waren die Verfolgten und zugleich
die Widerständler der ,,ersten Stunde".
Illegale Zeitungen und Flugblätter brachten meist schnell die Verfolger
auf die Spur, aber immer wieder bildeten sich neue Gruppen. Bis 1938 hielt
sich die von jungen Sozialdemokraten und Kommunisten gebildete Gruppe
,,Neu beginnen", deren Mitglieder zum Teil schon seit 1929 mit dem
Ziel zusammengekommen waren, die politische Kluft zwischen den Arbeiterparteien
zu überwinden. Erst mehr als ein Jahr nach dem Beginn des Krieges mit
der Sowjetunion im Juni 1941 gelang es der Gestapo im August 1942, die
von ihr so genannte Verschwörergruppe ,,Rote Kapelle" zu zerschlagen.
Deren führende Köpfe wie Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen hatten
in Reichsministerien gearbeitet und Informationen geliefert, die nach
Moskau gefunkt wurden. Unter evangelischen Pfarrern und Laien entstand die
,Bekennende Kirche", als die ,,Deutschen Christen" unter dem
,,Reichsbischof' Müller mehrere Landeskirchen auf NS-Kurs brachten. Zentrum
dieser ,,bekennenden" Christen war die Dahlemer Gemeinde mit ihrem
Pfarrer Martin Niemöller, der 1937 verhaftet und erst 1945 aus dem KZ
befreit wurde. Andere, wie Dietrich Bonhoeffer wurden ermordet. Der Vatikan
schloß, auch um die Katholische Kirche und ihre Gläubigen zu schützen,
schon 1933 ein ,,Reichskonkordat" mit der NS-Regierung. Trotzdem
gehörte zu den Opfern des ,,Röhm Putsches" auch der Leiter der ,,Katholischen
Aktion", Erich Klausener. Priester und Laien sahen sich den Verfolgungen
durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Zu denen, die mutig gegen das
Regime predigten, gehörte der Berliner Dompropst Bernhard Lichtenberg;
1941 wurde er verhaftet und starb nach langen Verhören auf dem Weg ins
KZ. Immer wieder waren auch Berliner Juden in Widerstandsgruppen aktiv.
Bis zum Kriegsende gelang es der Gestapo auch im Zentrum der Macht nicht,
alle oppositionellen Zirkel zu zerschlagen und alle jene Berliner aufzuspüren,
die Verfolgte verbargen und ihnen weiterhalfen. Nicht nur in sozialistischen
und Bürgerlich- Liberalen, sondern auch in konservativ- nationalen und
militärischen Kreisen wuchs der Wille zum Widerstand, seit Hitlers Kriegspläne
mit den Vorbereitungen zum Überfall auf die Tschechoslowakei konkrete
Formen annahmen und sich zugleich immer deutlicher der Weg zur Entfesselung
eines Weltkrieges und zur Judenvernichtung abzeichnete. Viele bisherige
weltanschauliche Frontstellungen verloren in der Konfrontation mit dem
nationalsozialistischen Gewaltregime ihre Bedeutung.
Ein Beispiel für diese Entwicklung war der ,,Kreisauer Kreis", den
die Gestapo nach dem Landgut Helmuth James Graf von Moltkes in Kreisau
(Schlesien) so bezeichnete. Von 1940 bis 1944 trafen sich die Angehörigen
dieses Kreises, unter anderem in Kreisau und in der Hortensienstraße 50
in Berlin-Lichterfelde, im Hause von Peter Graf Yorck von Wartenburg.
Sozialdemokraten und Gewerkschafter, evangelische und katholische Christen,
Bürgerliche und Adelige gehörten dieser Gruppierung an. Politischer ,,Kopf"
des Kreises war der frühere SPD- Reichstagsabgeordnete Carlo Mierendorff.
Auf ihren Zusammenkünften erarbeiteten sie innen- und außenpolitische
Grundsätze für ein ,,Deutschland nach Hitler".
Der 20. Juli 1944 Berlin
war dann auch das Zentrum jener Männer und Frauen, von Sozialdemokraten
wie Julius Leber (der auch zum ,,Kreisauer Kreis" gehörte) bis zu
Konservativen, die sich um den früheren Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler
und den 1938 zurückgetretenen Generalstabschef Beck gruppierten und den
Umsturz planten. Seit Anfang 1943 intensivierten auch die militärischen
Widerstandskreise, die mit ihnen in enger Verbindung standen, ihre Vorbereitungen.
Der Bombenanschlag des Obersten Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf
Hitler sollte schließlich, nach vielen vergeblichen Anläufen, am 20. Juli
1944 das entscheidende Signal geben. Doch Hitler überlebte das Attentat
im ostpreußischen Hauptquartier und nahm furchtbare Rache an den Widerstandsgruppen,
die den 20. Juli 1944 zu verantworten hatten.
Viele der Standgerichts- und ,,Volksgerichtshof" Urteile wurden in
Berlin in der Hinrichtungsstätte Plötzensee vollstreckt. Etwa 200 Menschen
mußten in direktem Zusammenhang mit der Erhebung vom 20. Juli ihr Leben
lassen. Ihnen und allen anderen Opfern des Widerstands ist in Berlin seit
1952 im militärischen Zentrum der Verschwörung, dem Sitz des Befehlshabers
des Ersatzheeres im Bendlerblock nahe dem Landwehrkanal, die heutige ,,Gedenkstätte
Deutscher Widerstand" in der Stauffenbergstraße gewidmet; zu ihr
gehört eine umfassende Ausstellung über den Widerstand. Auch in Plötzensee
gilt ein Mahnmal den ,,Opfern der Hitler-Diktatur". Der Aufstand
vom 20. Juli ist gescheitert, aber er hat der Welt gezeigt, daß es auch
ein ,,anderes Deutschland" gab.
Berlin im
zweiten Weltkrieg
Der
Alltag des Krieges
Anders als 1870 und
1914 war in den Straßen keine Begeisterung zu spüren, als Hitler, in feldgrauer
Wehrmachts- Uniform, vor dem Großdeutschen Reichstag in der Kroll-Oper
am 1. September 1939 den Überfall auf Polen als angebliche Vergeltungsaktion
darstellte: "Seit 5Uhr45 wird zurückgeschossen..."
Schweigend, deprimiert, eher apathisch hörten die Berliner die Botschaft
aus den öffentlichen Lautsprechern oder an ihren Radios. Mit den Einberufungen
hatte der Kriegsalltag schon zuvor begonnen. Daß Lebensmittelkarten bereits
an die Hauswarte verteilt waren, hatte sich herumgesprochen und zu ersten
Hamsterkäufen geführt. ,,Merkblätter für den Luftschutz" waren an
die Berliner Haushalte verteilt. Schon am Abend des 1. September lag Berlin
in völliger Dunkelheit, um 18 Uhr 30 zwang ein erster Probe- Fliegeralarm
die Bevölkerung für eine halbe Stunde in die Keller. Das Abhören feindlicher
Rundfunksender und die Verbreitung ihrer Nachrichten wurden unter schwere
Strafe, bis hin zur Todesstrafe, gestellt. Wechsel des Arbeitsplatzes
wurden ebenso eingeschränkt wie in den folgenden Tagen Tanzlustbarkeiten
und die Benutzung privater Autos. Die BVG stellte zahlreiche Buslinien
ein. Zum 1.Oktober wurde der Fleischmarkenzwang auch für Lokale verfügt.
Man förderte die Anlage neuer Kleingärten und setzte eine Entwicklung
in Gang, die bald Vorgärten ebenso wie viele Parks und Plätze zu Gemüse-Äckern
werden ließ.
Bomben auf Berlin
Trotz all dem blieb das Leben in Berlin noch ein Jahr lang leidlich ,,normal".
Als die deutsche Luftwaffe Anfang August1940 die ,,Schlacht um England"
begann, London, Liverpool, Birmingham, Manchester, Glasgow und Coventry
bombardierte, intensivierte die britische Luftwaffe den Luftkrieg über
Deutschland und ging zu Flächen- Bombardements von Städten über. Aber
noch längere Zeit lag Berlin fast an der Grenze der Reichweite britischer
Bomber. Trotzdem gab es hier bis zum 30. September1940 schon 515 Bombentote,
und 1617 Gebäude waren total zerstört.
Erst nach den Großangriffen auf nordwestdeutsche Städte und der Zerstörung
der Hamburger Innenstadt folgte von Herbst 1943 bis Frühjahr 1944 jene
erste große Luftschlacht um Berlin, an der sich auch die US-Luftwaffe
mit Tagesangriffen beteiligte. An deren Ende waren nicht nur Zehntausende
tot, vermißt oder schwerverletzt, sondern auch 1,5 Millionen Berliner
obdachlos. Jetzt wußten die Berliner, was der ,,totale Krieg" bedeutete,
den Goebbels 1943 im Sportpalast unter frenetischem Beifall proklamiert
hatte.
Nach der Landung der alliierten Truppen in
Frankreich nahmen seit Juni1944 die Bombenangriffe kein Ende mehr. Als
Ende März 1945 schließlich die Bomber ausblieben, weil die Sowjets zum
Endkampf um Berlin ansetzten, waren rund 50000 Berliner durch den Luftkrieg
getötet worden. Fast 30 Quadratkilometer der am dichtesten besiedelten
Stadtfläche waren Ruinenfelder und 612000 Wohnungen völlig zerstört. Hinzu
müssen die mehr oder minder schweren Schäden der noch bewohnbar gebliebenen
anderen Hälfte des Wohnungsbestandes gerechnet werden. Dagegen waren rund
zwei Drittel der Berliner Industrieanlagen auch noch bei Kriegsende in
betriebsfähigem Zustand.
Die
Kapitulation Seit der Zunahme der Bombenangriffe
flohen immer mehr Berliner aus der Stadt.
Im Januar 1945 zählte Berlin rund 1,5 Millionen Menschen weniger als bei
Kriegsbeginn. Noch immer aber lebten 2,8 Millionen Menschen in der Trümmerwüste
der Innenstadt, den weniger zerstörten Außenbezirken, in Behelfshäusern
und Hütten der Laubenkolonien Von ihnen starben viele noch im Endkampf
um Berlin, nachdem die Rote Armee im Februar 1945 die Oder überschritten
und am 16. April das Signal zur letzten Offensive gegeben hatte.
Doch erst am 30. April 1945 gab Hitler den
Krieg endgültig verloren und beging im Bunker der Reichskanzlei Selbstmord.
Joseph Goebbels folgte ihm wenig später. Am 2. Mai kapitulierte Berlins
Stadtkommandant General Weidling. Damit endete für Berlin der Zweite Weltkrieg.
In der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 wurde im sowjetischen Hauptquartier
in Berlin-Karlshorst von Generalfeldmarschall von Keitel - wie tags zuvor
schon in Reims - die bedingungslose Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht
unterzeichnet.