Die totale Niederlage brachte
für Berlins Existenz radikale Änderungen, die in ihrer ganzen Schwere
im Mai1945 noch gar nicht zu übersehen waren. Statt Zentrum eines neuen,
demokratischen Deutschlands zu werden, entwickelte sich die Stadt zu einem
der gefährlichsten Krisenpunkte in der Machtpolitischen Auseinandersetzung
zwischen Ost und West. Die ehemalige Reichshauptstadt war vom international
bedeutsamen Handlungszentrum zum Spielball der Weltpolitik geworden. Erst
das Vier-Mächte-Abkommen vom 3. September1971, das mit der Unterzeichnung
des ,,Schlußprotokolls" am 3. Juni 1972 in Kraft trat, löste die
Zeit unberechenbarer Konfrontationen durch ein geregeltes Nebeneinander
ab. Die Spaltung der Stadt hebt es nicht auf.
Die
Vereinbarungen der Sieger
Über zwei Monate lang, von Anfang Mai bis
Anfang Juli 1945, waren die Sowjets, die Berlin erobert hatten, auch die
einzige Besatzungsmacht der Stadt. Erst dann rückten die Amerikaner und
Briten in ihre Sektoren ein. Im August folgten die Franzosen, die nachträglich
als vierte Macht in das ,,Londoner Protokoll" vom 12. September1944
über die Besatzungszonen
Deutschlands und die Verwaltung von Groß-Berlin einbezogen worden waren.
In diesem Protokoll, das also schon acht Monate vor der Kapitulation von
den USA, der UdSSR und Großbritannien beschlossen worden war, ging man
trotz Besetzung und Zonen-Einteilung weiter von der Einheit Deutschlands
aus. Das zeigte sich auch darin, daß außerhalb der Besatzungszonen ein
,,besonderes Berliner Gebiet" (mit diesem Begriff war das Gebiet
von Groß-Berlin im Sinne des Gesetzes vom 27. April 1920 gemeint) geschaffen
wurde, für dessen Verwaltung eine ,,interalluerte" Regierungsbehörde
(Kommandantur), bestehend aus den vier Kommandanten der vier Besatzungsmächte,
zuständig war. Auch die Einrichtung von vier Besatzungssektoren sollte
dieses Prinzip der ,,gemeinsamen Verwaltung" nicht antasten. Im Gegensatz
dazu unterstanden die vier Besatzungszonen, in die Deutschland geteilt
war, der alleinigen Regierungsgewalt der jeweiligen Befehlshaber. Doch
vereinbarten die Alliierten am 14. November1944 die Errichtung eines ,,Alliierten
Kontrollrates", der die ,,Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten" gemeinsam zu behandeln hatte.
Auch das besetzte Deutschland sollte also eine Art Besatzungs - Hauptstadt
haben. Das schuf zugleich Probleme. Die drei Westmächte mußten feststellen,
daß die Sowjetunion den unbehinderten und unkontrollierten Zugang der
westlichen Alliierten nach Berlin keineswegs für selbstverständlich hielt.
Nur für den Flugverkehr hatte es genaue Absprachen, z. B. über die Luftkorridore,
gegeben. Für die Straßen-, Eisenbahn- und Wasserverbindungen mußten nachträglich
Routen ausgehandelt werden. Sie erwiesen sich bald als die Krisenanfälligsten
Stellen des Berlin-Status.
Neubeginn
und ,,Kalter Krieg" Zunächst sahen sich Sieger und Besiegte
in Berlin einem riesigen Trümmerfeld von 75 Millionen Kubikmetern Schutt
gegenüber, einem 1/7 aller Trümmermassen Deutschlands. Der Verkehr stand
still. Es gab weder Strom noch Gas. Die Wasserversorgung funktionierte
nur noch in manchen Außenbezirken. Die Lebensmittelzufuhr war unterbrochen.
Zeitungen, Rundfunk, Telefone und Postverbindungen bestanden nicht mehr.
All diese für das Leben einer Großstadt notwendigen Einrichtungen kamen
erst im Laufe des Sommers allmählich wieder in Gang. Schwarzmarkt und
,,Hamsterfahrten" aufs Land bestimmten den Alltag. So begann der
Wiederaufbau, provisorisch und notdürftig zunächst, inmitten der Trümmer.
Das Bild Berlins in dieser ersten Nachkriegszeit wurde geprägt von den
Frauen jener Männer, die in den Krieg ziehen mußten, gefallen oder in
Gefangenschaft geraten waren. Als "Trümmerfrauen", die aus den
Ruinen die Steine für den ersten Wiederaufbau gewannen, wurden sie zu
fast ,,legendären" Gestalten. Zu denen, die jetzt aus dem Krieg oder der Evakuierung,
aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern sowie aus der Emigration
zurückkehrten, gehörte auch eine Gruppe politischer Emigranten, die mit
der Roten Armee gekommen war, an ihrer Spitze der deutsche Kommunist Walter
Ulbricht. Schnell, bevor die Westmächte einrückten, schufen die Sowjets
und jene erprobten Kommunisten in Berlin politische Tatsachen. Noch im
Mai 1945 hatte der sowjetische Stadtkommandant, Generaloberst Bersarin,
einen neuen ,,antifaschistischen" Magistrat eingesetzt. Die Hälfte
der 14 Stadträte waren Kommunisten. Hier wie in den neuen Bezirksverwaltungen
erhielten sie zwar meist nicht die repräsentativsten Ämter, aber die Schlüsselpositionen.
Auch der Polizeipräsident war Kommunist. Schon am 10. Juni 1945-lange
vor den westlichen Alliierten - ließ die Sowjetunion in ihrer Besatzungszone
und in Berlin die Gründung von Parteien zu. Neben Kommunisten (KPD) und
Sozialdemokraten (SPD) waren dies die Christlich-Demokratische Union Deutschlands
(CDU) und die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD). Sie schlossen
sich im ,,Block Antifaschistisch- Demokratischer Parteien" zusammen,
wie es von der sowjetischen Besatzungsmacht gewünscht wurde (1948 kamen
noch die National-Demokratische Partei Deutschlands [NDPDJ und die Demokratische
Bauernpartei Deutschlands [DBD] hinzu). Als die Westmächte in die Stadt
einzogen, erkannten sie alle von der sowjetischen Militärverwaltung getroffenen
Entscheidungen an. Da in der Kommandantur das Einstimmigkeitsprinzip galt,
räumten sie damit den Sowjets ein Vetorecht gegen alle nachträglichen
Änderungen ein.
Auf Drängen der Sowjets und Betreiben der KPD kam es im April1946 in der
sowjetisch besetzten Zone zur Zwangsvereinigung der KPD und SPD zur Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED). Nur in den Westsektoren Berlins konnte
die SPD eine Urabstimmung über das Zusammengehen durchführen. Im Ostsektor
verboten die Sowjets die Abstimmung. Bei der Urabstimmung am 31. März
1946 waren zwei Fragen zu beantworten:
,,Bist du für den sofortigen Zusammenschluß beider Arbeiterparteien?"
,,Bist du für ein Bündnis beider Parteien,
welches gemeinsame Arbeit sichert und Bruderkampf ausschließt?"
82,3
% der abstimmenden Sozialdemokraten sprachen sich gegen den sofortigen
Zusammenschluß der beiden Parteien aus, aber immerhin 62,1 % für eine
Zusammenarbeit. knapp 70 % der Stimmberechtigten hatten sich in den Westsektoren
beteiligt.
Die Alliierte Kommandantur einigte sich auf einen Kompromiß: In ganz Berlin
wurden SED und SPD zugelassen. Doch bei den ersten und zugleich letzten
freien Stadtverordnetenwahlen in ganz Berlin am 20. Oktober1946 zeigte
sich, wie wenig Rückhalt die neue ,,Einheitspartei" in der Bevölkerung
hatte: Bei einer Rekord-Wahlbeteiligung von mehr als 90 % erhielt die
SED nur knapp ein Fünftel der Stimmen, die SPD jedoch fast die Hälfte.
Als dann die Stadtverordnetenversammlung im Juni 1947 Ernst Reuter (SPD),
den erfolgreichen Verkehrsstadtrat der zwanziger Jahre, der aus der türkischen
Emigration zurückgekehrt war, zum Oberbürgermeister wählte, legte die
Sowjetunion gegen den konsequenten Antikommunisten ihr Veto ein. An seiner
Stelle mußten die Bürgermeisterin Louise Schroeder (SPD) und später Ferdinand
Friedensburg (CDU) die Geschäfte führen. Noch waren die Westmächte bereit,
nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, aber der ,,kalte Krieg" warf
seine ersten Schatten auf Berlin.
Die Frage der Einheit Deutschlands und Berlins konnte von internationalen
Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Vom 17. Juli bis zum 2. August
1945 hatten sich die Staatschefs der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion
auf der Potsdamer Konferenz getroffen. Sie verständigten sich über Grundsätze
der Demokratisierung und Entmilitarisierung Deutschlands, deren Details
offen blieben, aber vom Prinzip der Einheit - allerdings ohne die Gebiete
jenseits von Oder und Neiße - ausgingen. Doch nicht nur die westlichen
und sowjetischen Ansichten von Demokratie erwiesen sich schnell als unvereinbar.
Auch über gemeinsame Prinzipien für den wirtschaftlichen Wiederaufbau
Deutschlands und Europas war mit der Sowjetunion keine Einigung möglich.
Die drei Westmächte entschieden sich
nach vergeblichen Verhandlungen, wenigstens ihre drei Zonen wirtschaftlich
zusammenzuschließen und die Gründung eines demokratischen Staates anzustreben.
Daraufhin verließen am 20. März 1948 die Sowjets den Kontrollrat.
Ruine der
Kroll Oper kurz bevor sie gesprengt wurde
Währungsreformen
in West und Ost
Um den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu erleichtern,
war von den vier Besatzungsmächten auch über eine gemeinsame Währungsreform
verhandelt worden, ohne daß eine Einigung erzielt werden konnte. Da Moskau
unannehmbare Bedingungen stellte, handelten die drei Westmächte am 20.
Juni1948 allein und führten eine Währungsreform für ihre Zonen durch.
Berlins Westsektoren blieben jedoch zunächst ausgenommen. Als aber zwei
Tage später die Sowjets eine separate Währungsreform in ihrer Zone auf
ganz Berlin ausdehnen wollten, führten die Westmächte die neue Westmark
auch in ihren Sektoren ein. Die Ost-Mark blieb allerdings noch einige
Zeit als Zahlungsmittel erlaubt, Löhne und Gehälter wurden in den Westsektoren
teils in West-und teils in Ostgeld gezahlt.
Insgesamt bedeutete die Entwicklung in Deutschland und in Berlin, wie
sie in den separaten Währungsreformen ihren sichtbarsten Ausdruck fand,
einen schweren Schlag gegen das Ziel der Sowjetunion, ganz Deutschland
oder wenigstens ganz Berlin in die eigene Machtsphäre einzuordnen. Die
politischen Gegensätze hatten die wirtschaftliche Spaltung bewirkt und
mußten in absehbarer Zeit die politische Teilung nach sich ziehen.
Blockade
und Luftbrücke Gegenüber
dem, was in den Westzonen geschah, waren die Sowjets machtlos, aber in
Berlin fühlten sie sich am längeren Hebel. So nahmen sie die Währungsreform
zum Anlaß der ersten großen Konfrontation mit dem Westen. Mit der Abschnürung
aller Land- und Wasserwege zwischen Westdeutschland und Berlin sowie der
Blockierung der Stromversorgung begann am 24. Juni 1948 für die Westsektoren
der Stadt die Blockade - ,,einer der brutalsten Versuche der neueren Geschichte,
eine Massenaushungerung als politisches Druckmittel zu benutzen",
wie der US-Militärgouverneur, General Lucius D. Clay, diese Erpressungsaktion
nannte. Seine Antwort, die er gegen zunächst starke Bedenken in den westlichen
Hauptstädten durchsetzte, war die ,,Luftbrücke".
Schon zwei Tage nach Blockade-Beginn, am 26. Juni1948, lief das bis dahin
größte Lufttransport-Unternehmen der Geschichte an. In immer schneller
werdender Folge landeten Transportmaschinen auf drei Flugplätzen im Westteil
der Stadt; der Flughafen Tegel entstand in drei Monaten. Sogar auf der
Havel kamen Wasserflugzeuge mit ihrer Fracht an. insgesamt wurden mit
rund 213000 Flügen über 1,7 Millionen Tonnen Versorgungsgüter nach Berlin
gebracht. Fast zwei Drittel davon waren Kohlen, zum Heizen und für eine
notdürftige Strom- und Gasversorgung. Auch ein ganzes Kraftwerk, das später
den Namen ,,Ernst Reuter" erhielt, wurde Stück
für Stück eingeflogen. Obwohl die Versorgung mit Lebensmitteln auf ein
Minimum schrumpfte, nahmen höchstens 100.000 Westberliner das ,,Angebot'
Ost-Berliner Lebensmittelkarten an. 70 Angehörige der alliierten Luftstreitkräfte
sowie acht deutsche Hilfskräfte fanden bei Unglücksfällen den Tod. Das
Luftbrückendenkmal vor dem Flughafen Tempelhof erinnert an sie.
Am 9. September 1948 hält der Oberbürgermeister Ernst Reuter eine ergreifende
Rede vor 300.000 Berliner vor der Ruine des Reichstages, anläßlich einer
Freiheitskundgebung. Er richtet seine Rede an die Welt, und sagt:
"Ihr Völker der Welt... Schaut auf diese Stadt und erkennt,
daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben
könnt!"
Die
Blockade hatte für die Stadt weitreichende politische Folgen. Zunächst
brachte sie das Ende der gemeinsamen Verwaltung ganz Berlins. Am 16. Juni
l948verließen die Sowjets nach dem Kontrollrat auch die Alliierte Kommandantur
der Stadt. Doch immer noch gab es den Magistrat und das Stadtparlament
ganz Berlins, die ihren Sitz im sowjetisch besetzten Sektor hatten. Mehrfach
waren ihre Sitzungen schon durch kommunistische Demonstranten gestört
worden. Als am 6. September 1948 Demonstranten das Stadthaus besetzten
und die Stadtverordnetenversammlung an der Fortsetzung der Sitzung hinderten,
wichen die nicht kommunistischen Abgeordneten in den Westteil der Stadt
aus, zunächst in die Technische Universität im Bezirk Charlottenburg,
später in das Rathaus Schöneberg. Im sowjetisch besetzten Sektor wurde
von den Kommunisten eine ,,Außerordentliche Stadtverordnetenversammlung"
gebildet, die am 30. November 1948 einen neuen, den sowjetischen Behörden
genehmen Magistrat mit Friedrich Ebert, einem Sohn des früheren Reichspräsidenten,
als Oberbürgermeister ,,wählte". Am 1. Dezember wurde Bürgermeister
Friedensburg als letztem nichtkommunistischem Mitglied des frei gewählten
legalen Magistrats' das noch im Ostsektor amtierte, der Zugang zum Stadthaus
verweigert. Nach und nach baute der Magistrat in Berlin (West) eine eigene
Verwaltung auf. Dies alles geschah kurz vor der fälligen Neuwahl des Stadtparlaments
am 5. Dezember1948, die nun nur in den Westsektoren stattfinden konnte.
Die SED beteiligte sich nicht, sondern rief zum Wahl-Boykott auf. Doch
86,3 % der Wahlberechtigten (statt 92,3 % im Jahre 1946 in ganz Berlin)
gingen zu den Urnen. Die SPD erhielt fast zwei Drittel der Stimmen, den
Rest teilten sich CDU und LDP.
Am 7. Dezember 1948 wählte die noch einmal zusammenkommende alte Stadtverordnetenversammlung
Ernst Reuter erneut zum Oberbürgermeister, und am 14. Januar 1949 bestätigte
das neue Stadtparlament diese Wahl. Jetzt konnte er sein Amt endgültig
antreten. Vor dem gemeinsamen Widerstandswillen der Westmächte und der
West-Berliner wich Moskau schließlich zurück. Nach elf Monaten, am 12.
Mai 1949, wurde die Blockade aufgehoben.
Es blieb die Spaltung Berlins, doch bei immer noch offenen Grenzen.
Berlin in zwei
deutschen Staaten Die Spaltung Deutschlands wurde wenig
später unübersehbar. Am 24. Mai 1949 trat das ,,Grundgesetz für die Bundesrepublik
Deutschland" in Kraft. Am 7. Oktober desselben Jahres folgte, ebenfalls
mit der Verkündung einer Verfassung, die Gründung der ,,Deutschen Demokratischen
Republik".
Beides konnte nicht ohne Folgen für Berlin bleiben. Das Grundgesetz, die
Verfassung des westdeutschen Staates, nannte ,,Groß-Berlin" als ein
Land der Bundesrepublik, die DDR-Verfassung beanspruchte Berlin als ,,Hauptstadt
der Republik", obwohl dieses einen Bruch des Potsdamer Abkommens
darstellte. Indem es hieß: "Berlin ist eine Selbständige Einheit,
und darf nicht als Hauptstadt ernannt werden."! Aus diesem Grund
wurde dann auch Festgelegt, daß die Hauptstadt der Bundesrepublik Bonn
ist.
60
Jahre Currywurst
Not macht erfinderisch.
So ist auch die gute, deutsche Currywurst aus dem Mangel geboren und galt
als leckere Alternative zum teuren Steak mit Ketchup. Die Berlinerin Herta
Heuwer hatte am 4. September 1949 die Erfindung ihres Lebens gemacht:
einen eigenen Ketchup herstellen und das Steak mit einer Berliner Dampfwurst
ersetzen. Heutzutage ist die herzhafte Berliner Spezialität zwar
eine fettige Kalorienbombe, jedoch nicht mehr wegzudenken.
Wiederaufbau
nach der Spaltung
Inmitten der Spannungen und Ost-West-Gegensätze
mußte sich in beiden Teilen der Stadt der Wiederaufbau vollziehen. Im
Ostsektor Berlins hatten sich schon seit 1945 die neu gebildeten zentralen
Verwaltungsbehörden für die gesamte sowjetische Zone niedergelassen. Sie
bezogen diesen Teil der Stadt in das entstehende System der zentralen
Wirtschaftsplanung nach sowjetischem Vorbild ein. Die Westsektoren konnten,
wenn auch mit jahrelangen Verzögerungen, den Anschluß an den Wirtschaftsaufschwung
der Bundesrepublik gewinnen.
Der Westteil der Stadt hatte durch die Teilung Deutschlands und den besonderen
Status Berlins seine Hauptstadtfunktion verloren.
Daß mit dem Ende der Blockade die Krise nicht überwunden war, zeigte vor
allem die Massenarbeitslosigkeit. Sie erreichte im Februar 1950 in den
Westsektoren mit 309000 Arbeitslose, über einem Viertel der Erwerbsfähigen,
ihren Höhepunkt. Erst 1957 sanken die Zahlen unter 100000, und um 1960
war ein Zustand der Vollbeschäftigung erreicht. Zugleich arbeiteten noch
über 50.000 "Grenzgänger", vor allem aus dem Ostsektor, in Berlin
(West). Die Industrieproduktion betrug inzwischen zwar bereits etwa das
1 1/2 Fache von 1936, in der Bundesrepublik jedoch zur gleichen Zeit schon
fast das Dreifache. Die Einbeziehung in das Finanzsystem des Bundes, Steuer-
und lnvestitionshilfen, zu denen auch der amerikanische ,,Marshall-Plan"
beitrug, gaben jedoch dem System der "sozialen Marktwirtschaft"
auch unter den erschwerten Bedingungen Berlins den nötigen Auftrieb. Immer
aber blieb diese Entwicklung durch politische Krisen gefährdet.
Der 16./17. Juni
1953 in Berlin Auch in
der DDR und Berlin (Ost) ging es aufwärts, aber noch wesentlich langsamer.
Vor allem beim materiellen Wohlstand wurde der Abstand zum Westen größer.
Davon konnten sich die Bewohner Ost-Berlins täglich überzeugen. Der Unmut
der Bevölkerung wuchs. Als die Arbeitsnormen erhöht wurden, entlud sich
am 16. Juni 1953 der Unwille der Arbeiter auf der größten Baustelle des
Ostsektors, der Stalinallee, in einer Arbeitsniederlegung. Tausende Bauarbeiter,
auch von anderen Baustellen, zogen zum ,,Haus der Ministerien". Sie
wollten mit dem Ministerpräsidenten, Otto Grotewohl, und Walter Ulbricht,
dem SED-Generalsekretär, sprechen. Als beide sich verleugnen ließen, forderten
Redner der Demonstranten den Rücktritt der Regierung und freie Wahlen.
Am nächsten Tag, dem 17. Juni, war aus dem ursprünglichen Streik ein Aufstand
gegen das kommunistische System in der ganzen DDR geworden. In 270 Orten
wurde gestreikt und demonstriert. Am Mittag verhängte der sowjetische
Stadtkommandant den Ausnahmezustand über Berlin (Ost). Panzer fuhren gegen
die aufgebrachte Menge auf. Am Nachmittag war der Aufstand zusammengebrochen.
Über die Zahl der Opfer fehlen gesicherte Angaben. Die DDR nennt 21 Tote
und 187 Verletzte. Andere Berichte sprechen von 260 getöteten Demonstranten
und über 100 Opfern bei der Volkspolizei. Fast 5000 Personen wurden verhaftet,
viele zu langjährigen Freiheitsstrafen, einige sogar zum Tode verurteilt.