Das
Berliner Schloss (auch Stadtschloss genannt)
Das
Berliner Schloss, seit einiger Zeit auch Berliner Stadtschloss genannt,
war die Hauptresidenz (Winterresidenz) der Markgrafen und Kurfürsten
von Brandenburg, später der Könige in bzw. von Preußen
und dem Deutschen Kaiser. Es stand auf der Spreeinsel im heutigen Berliner
Ortsteil Mitte.
Nach
der Novemberrevolution von 1918 fungierte das Schloss als Museum und wurde
durch zahlreiche andere Mieter, unter anderem die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
und die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, genutzt. Im Zweiten
Weltkrieg schwer beschädigt, wurde es zunächst für Ausstellungen
weitergenutzt. 1950 entschied der Generalsekretär des ZK der SED,
Walter Ulbricht, das Stadtschloss zu Gunsten eines Demonstrationsplatzes
zu sprengen und abzutragen. Diese Arbeiten fanden zwischen dem 7. September
und dem 30. Dezember 1950 statt. 1959 wurde das nicht weit entfernte kleine
Schloss im Monbijoupark abgerissen. Von 1973 bis 1976 wurde auf dem Gelände
des Berliner Schlosses der Palast der Republik erbaut, der von 2006 bis
2008 abgerissen wurde.
2007
beschlossen der Bundestag und das Land Berlin, ab 2010 mit dem Wiederaufbau
des Stadtschlosses zu beginnen. Im Juni 2010 entschied die Bundesregierung
jedoch, im Rahmen von umfangreichen Sparmaßnahmen im Bundeshaushalt
den Baubeginn auf 2014 zu verschieben. Das Bundesbauministerium hat am
23. November 2010 einen neuen Zeitplan vorgestellt, wonach das Berliner
Schloss bis 2019 rekonstruiert ist.
Das
Gebäude in der Kubatur des Stadtschlosses und mit dem Nachbau der
historischen Fassaden an drei Außen- und drei Innenhofseiten soll
den Titel Humboldt-Forum erhalten und neben einer Bibliotheksnutzung für
die Humboldt-Universität auch als Ausstellungsort für die Sammlungen
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dienen.
Baugeschichte
Kurfürst
Friedrich II., genannt „Eisenzahn“, hatte den Bau 1443 gegründet.
An der Stelle des späteren Schlüterhofes und des Hofes III stand
zunächst eine Burg, die die sich auf der Spreeinsel kreuzenden Handelswege
kontrollieren sollte. 1465 wurde die bedeutende spätgotische Erasmuskapelle
eingebaut. Kurfürst Joachim II. ließ im 16. Jahrhundert die
spätmittelalterliche Burg weitgehend abtragen und an ihrer Stelle
durch die Baumeister Caspar Theiss und Kunz Buntschuh nach dem Vorbild
des Schlosses in Torgau eine prachtvolle und bedeutsame Renaissance-Residenz
errichten.
Unter
Kurfürst Johann Georg entstand gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch
den Hofbaumeister Rochus Graf zu Lynar der Westflügel und Hofabschluss
sowie die nördlich anschließende Hofapotheke. Kurfürst
Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, ließ das nach
dem Dreißigjährigen Krieg ziemlich verfallene Schloss wieder
herrichten. In der Spätzeit seiner Herrschaft entstanden bedeutende
Innenräume wie die Kugelkammer oder die Braunschweigische Galerie.
Letztere wurde in den durch Johann Arnold Nering ausgeführten Galerietrakt
an der Spree eingebaut.
Unter
Kurfürst Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I. in Preußen)
kam es zum Ausbau des Schlosses zur großartigen Königsresidenz.
Ab 1699 baute Andreas Schlüter das Schloss zu einem bedeutenden Profanbau
des protestantischen Barocks aus. Die prächtigen Repräsentations-
und Privaträume des Schlosses wurden nach seinen Vorgaben mit Deckengemälden
unter anderem des Hofmalers Augustin Terwesten geschmückt. Auf Wunsch
des Königs sollte der Münzturm[4] genannte Bau an der Nordwestecke
des Schlosses, mit einem für 12.000 Gulden in Holland erworbenem
Glockenspiel versehen, bis zu einer Höhe von 94 Meter aufgestockt
werden. Dafür erwiesen sich aber die Fundamente des mittelalterlichen
Baus als unzureichend, obwohl Schlüter mit damals neuartigen Eisenarmierungen
sie zu verstärken versuchte. Schließlich musste der unfertige
Turm aus statischen Gründen aufwendig abgetragen werden und Schlüter
wurde 1706 als Hofbaumeister unehrenhaft entlassen, blieb aber als Hofbildhauer
im Amt.[5] Schlüters Posten übernahm sein Konkurrent Johann
Eosander von Göthe, der einen großartigen Erweiterungsplan
für das Schloss vorlegte. Der Plan sollte modifiziert ausgeführt
werden, was, nachdem Friedrich I. starb, nur unzulänglich geschah:
sein Nachfolger König Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig,
entließ aus Sparsamkeit und angesichts der ruinierten Staatsfinanzen
die meisten Künstler und ließ das Schloss vom weniger bedeutenden
Schüler Schlüters, Martin Heinrich Böhme, vollenden.
Danach
folgten nur noch kleinere Änderungen am Außenbau. Eine Ausnahme
bildet hier der Kuppelbau durch Friedrich August Stüler und Albert
Dietrich Schadow in den Jahren 1845 bis 1853. Der Bau folgte einem durch
Karl Friedrich Schinkel bearbeiteten Entwurf von Friedrich Wilhelm IV.
Die von einem Kreuz bekrönte Kuppel über dem Eosanderportal
beherbergte die Schlosskapelle, die im Januar 1854 geweiht wurde.
Das
Innere erfuhr bis zuletzt zahlreiche, zum Teil künstlerisch bedeutsame
Veränderungen. Erwähnenswert sind die dekorativen Arbeiten von
Andreas Schlüter, Carl von Gontard, Carl Gotthard Langhans, Friedrich
Wilhelm von Erdmannsdorff und Karl Friedrich Schinkel.
Politische
Geschichte
Das
Schloss war Schauplatz symbolträchtiger Ereignisse in der deutschen
Geschichte. Bei der Märzrevolution von 1848 war der Schlossplatz
Versammlungsort friedlicher Demonstrationen, aber auch blutiger Straßenkämpfe.
König Friedrich Wilhelm IV. versuchte, durch Balkonreden die Massen
zu beruhigen. Im Ersten Weltkrieg hielt Kaiser Wilhelm II. ebenfalls Balkonreden
an die Berliner Stadtbevölkerung, so am 31. Juli und 1. August 1914
aus Anlass des Kriegsbeginns. Sie sollten die Menschen auf den bevorstehenden
bzw. gerade ausgebrochenen Krieg einstimmen und die nationale Einheit
beschwören. Vom selben Balkon aus proklamierte der Sozialistenführer
Karl Liebknecht am 9. November 1918 nach der militärischen Niederlage
des Kaiserreiches und der Flucht des Monarchen die Sozialistische Deutsche
Republik (zustande kam allerdings die bürgerliche Weimarer Republik).
Dieses sogenannte Karl-Liebknecht-Portal‘, das ehemalige Portal
IV des 1950 von der DDR gesprengten Stadtschlosses, integrierte die DDR
als Verweis auf historische kommunistische Traditionen und als Siegesmal
über bürgerliche Formen der Republik in die Fassade des DDR-Staatsratsgebäudes,
das seit 1964 an der Südseite des Schlossplatzes steht.
Durch das
Inkrafttreten des Groß-Berlin-Gesetzes 1920 verlor das Schloss seinen
Status als Gutsbezirk und wurde Teil der Stadt Berlin.
Zerstörung
Während
des Zweiten Weltkrieges brannte das Schloss bei dem schwersten Bombenangriff
auf das Berliner Stadtzentrum am 3. Februar 1945 bis auf den Nordwestflügel
aus. Das Feuer hatte nahezu alle Prunkräume im Nord- und Südflügel
vernichtet. Weitere Schäden entstanden Ende April an der Schlossplatzfassade
durch Artilleriebeschuss.
Erhalten
blieben die Außenmauern mitsamt dem plastischen Schmuck, die tragenden
Wände und größtenteils die Haupttreppenhäuser. Der
gering beschädigte Flügel mit dem Weißen Saal diente weiterhin
dem Kunstgewerbemuseum Berlin als Magazin und Verwaltungssitz. In anderen
erhalten gebliebenen Teilen des Schlosses befanden sich Abteilungen des
Landesdenkmalamtes und der vormals preußischen „Verwaltung
der Staatlichen Schlösser und Gärten“.
Der
im Mai 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzte und von der
KPD/SED dominierte Magistrat stimmte den vom Baustadtrat Hans Scharoun
sofort beantragten Erhaltungsmaßnahmen nur widerwillig und teilweise
zu, so dass weitere Schäden durch Witterungseinflüsse entstanden.
Auch die Aufbauplanung des 1946 demokratisch gewählten Magistrats
durch Karl Bonatz sah den Wiederaufbau des Schlosses vor. Im Weißen
Saal fanden zwischen August 1946 und März 1948 vier Ausstellungen
statt, die zahlreich besucht wurden. Im unzerstörten Erdgeschoss
des Schlossplatzflügels mit Schinkels Staatsratssaal hatte eine Baufirma,
die Sicherungs- und Bergungsarbeiten im Schloss und seiner Umgebung ausführte,
ihren Sitz.
Seit
der Spaltung Berlins im Sommer und Herbst 1948 verhinderte der nun für
das Schloss verantwortliche SED-geführte Ost-Berliner Magistrat nach
und nach die weitere Benutzung sowie Sicherungsarbeiten und Beheizung.
Die Deutsche Volkspolizei kündigte im Oktober 1948 den im Schloss
untergebrachten Institutionen die Räumung an. Nachdem ihre Proteste
nichts bewirkt hatten, verlegten sie ihre Dienstsitze nach West-Berlin.[9]
Im März 1949 sperrte die Baupolizei das Schloss, obwohl eine Sachverständigenkommission
es für nicht einsturzgefährdet erklärt hatte.
Im
Oktober 1949 zerstörten Sowjetsoldaten bei Dreharbeiten zum sowjetischen
Film Die Schlacht um Berlin mehrere Skulpturen, noch erhaltene Ausstattungsstücke
und hunderte Glasfenster des Schlosses.
Als
die Berliner Öffentlichkeit im Winter 1948/1949 Anzeichen eines offenbar
bevorstehende Abrisses des Schlosses wahrnahm, streute die SED-gesteuerte
Presse zunächst im Februar 1950 Desinformationen aus. Während
der Führungszirkel der SED den Wiederaufbau des Schlosses einhellig
ablehnte, stellte er zunächst den amtlichen Wiederaufbauplan nicht
in Frage und duldete interne Diskussionen des Kulturbundes über die
Neugestaltung der Mitte Berlins.
Mit
Gründung der DDR war die Zuständigkeit für den Wiederaufbau
des Berliner Stadtzentrums an eine Abteilung des „Ministeriums für
Aufbau“ übergegangen. Auf dem III. Parteitag der SED gab am
23. Juli 1950 Walter Ulbricht, der neue Generalsekretär des ZK der
SED, den bevorstehenden Abriss des Schlosses bekannt. An der Stelle des
Schlosses selbst, wie auch des Lustgartens, der Schlossfreiheit und des
Schlossplatzes sollte ein Kundgebungsplatz entstehen, „auf dem der
Kampfwille und Aufbauwille unseres Volkes Ausdruck finden können.“
Dies kündigte Ulbricht an, ohne dass zuvor Diskussionen oder Absprachen
im Politbüro, im Ministerrat oder mit dem Oberbürgermeister
stattgefunden hatten.
In
den folgenden Wochen sollten Ulbrichts Ideen Gesetzesform erhalten. Der
entsprechende Ministerratsbeschluss wurde Ende August 1950 veröffentlicht.
Umgeben sollten den Kundgebungsplatz im Westen ein FIAPP-Denkmal an der
Stelle des zu beseitigenden Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals, im Süden
ein neues Opernhaus und im Osten eine Zuschauertribüne. Stehen bleiben
sollten Altes Museum, Dom und Marstall. Auf der anderen Seite der Spree
sollte sich hinter der Tribüne ein „repräsentatives Hochhaus“
erheben. Neben der Vernichtung des Schlosses sah der Plan auch die flächenhafte
Abräumung der nur zum Teil zerstörten Mitte Alt-Berlins und
des Nordens Alt-Köllns eine zentrale Trasse von der Stalinallee über
den Alexanderplatz zum Brandenburger Tor vor.
Führende
Vertreter des Berliner Kulturlebens verwarfen auf einer Veranstaltung
des Aufbauministeriums am 30. August einhellig den Plan und versuchten
angesichts der für den 6. September vorgesehenen Abstimmung der Volkskammer
eine öffentliche Diskussion in Gang zu bringen. Die verantwortlichen
SED-Politiker gingen auf die zahlreichen, kunsthistorisch oder geschichtspolitisch
begründeten Proteste, die sie in den folgenden Tagen aus ganz Deutschland
erreichten, nicht ein oder führten Kostenargumente an. Beispielhaft
war die Antwort, die Ulbricht einem protestierendem SED-Genossen erteilte.
Dessen „Stellungnahme“ sei ihm „bereits aus Westberliner
Zeitungen bekannt“, er empfehle ihm, „eine Protestbewegung
gegen jene zu organisieren, die das Schloss durch ihren Bombenterror zerstört
haben“ und kündigte an, dass „architektonisch wichtige
Partien im Innern des Schlosses, soweit sie den amerikanischen Bombenterror
überstanden haben“, in ein Museum überführt werden.
Am
7. September, dem Tag nach dem Volkskammerbeschluss, begannen, noch immer
von erfolglosen Protesten begleitet, die Sprengungen des Schlosses bis
zur völligen Vernichtung am 30. Dezember 1950. Bis zur Feier am 1.
Mai 1951 wurde der Platz abgeräumt, mit rotem Ziegelsplitt bedeckt
und die Tribüne errichtet. Er erhielt den Namen „Marx-Engels-Platz“.
Obwohl
das SED-Organ Neues Deutschland den Abriss im August 1950 unter dem Motto „es soll uns nichts mehr an unrühmlich Vergangenes erinnern“
angekündigt hatte, unterblieb in der DDR eine offizielle Erörterung
der historischen und kulturellen Bedeutung des Schlosses. Eine entsprechende
Veröffentlichung mit Argumenten für den Abriss wurde 1952 zurückgezogen.
Die
in den folgenden Jahren entstandenen Pläne zur Neugestaltung des
Marx-Engels-Platzes blieben unausgeführt. Erst nach der Absetzung
Ulbrichts veranlasste sein Nachfolger Honecker 1971 als programmatische
Geste die Errichtung des 1976 fertiggestellten Mehrzweckgebäudes
„Palast der Republik“ an der Stelle des Schlosses.
Künstlerische Bedeutung
Wenngleich
das Berliner Schloss stets unvollendet im Sinne der Planungen Schlüters
und Eosanders blieb, wo es als Teil einer zu errichtenden größeren
städtebaulichen Anlage gedacht war, ergab sich mit den umliegenden
Gebäuden in der Mitte Berlins ein repräsentatives städtebauliches
Ensemble. Auch war das Schloss Endpunkt der Prachtstraße Unter den
Linden; allerdings waren die Fassaden nicht auf Fernwirkung gestaltet.
Die Westfassade wurde durch die sogenannte „Schlossfreiheit“ verdeckt.
Schlüters
Entwurf blieb eher konservativ und wurde vom Alten Schloss bestimmt. Er
war stark von Berninis Entwurf für den Louvre beeinflusst, erreichte
aber durch Schlüters Motive und plastische Gestaltung eine „schwülstige
Wirkung“.
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Wiederaufbaubestrebungen
Nach
der deutschen Wiedervereinigung gab es eine neue Diskussion in Berlin,
ob das Schloss wiedererrichtet werden sollte. Damit begann nicht nur eine
bis heute andauernde öffentliche Debatte um den Schlossbau, sondern
auch um den Umgang und das Selbstverständnis der Deutschen mit ihrem
wiedervereinigten Staat und seiner Geschichte. Im Jahr 1992 gründeten
sich zwei private Initiativen, die Gesellschaft Berliner Schloss e.V.
und der Förderverein Berliner Schloss e.V. um den Hamburger Kaufmann
Wilhelm von Boddien und viele Multiplikatoren. Der Förderverein veranstaltete
in den Jahren 1993/1994 für eineinhalb Jahre eine farbige Fassadeninstallation
des Schlosses. Sie wurde gemalt von den Pariser Ateliers Catherine Feff
und am originalen Standort im Maßstab 1:1 mit dem weltgrößten
Raumgerüst aufgestellt. Die Installation war privat finanziert über
Spenden und unter anderem gesponsert von Thyssen-Hünnebeck. Damit
kehrte das Schloss als Simulation an seinen Ort zurück, um den Berlinern
die Notwendigkeit seines Wiederaufbaus ins Gedächtnis zu rufen. Dies
war das erste sichtbare, nachhaltig bis heute wirkende Zeichen für
die Initiative eines Wiederaufbaus. Auf diese Weise geriet das Schloss
auch verstärkt ins Medieninteresse. Im Jahr 2001 gründete sich
schließlich der gemeinnützige Verein Stadtschloss Berlin Initiative
e.V. Der Verein setzt sich dafür ein, dass in der Innenstadt Berlins
das neue Stadtschloss Berlin in Anlehnung an die historischen Abmessungen
(äußere Kubatur) und mit Fassaden im barocken Stil unter Einbeziehung
des Renaissanceflügels und des sogenannten Apothekerflügels‘
ausschließlich unter Verwendung privaten Kapitals errichtet wird.
Dabei ist zur Finanzierung auch eine kommerzielle Nutzung vorgesehen.
Dieses Konzept wurde jedoch von der Bundesregierung und dem Berliner Senat
abgelehnt, weil es nicht zum Bundestagsbeschluss passt. Die Initiative
setzt sich nunmehr für die Rekonstruktion des Rittersaals ein.
Pro
und Kontra Wiederaufbau
Die
Befürworter des Wiederaufbaus des Stadtschlosses haben unter anderem
folgende Argumente:
-
Es
würde die Lücke des historischen Stadtgrundrisses am Platz
geschlossen.
-
Ein wesentliches Architekturensemble der Mitte Berlins werde wiederhergestellt
und erhalte damit seinen Ankerpunkt zurück. Denn ein großer
Teil der Gebäude des westlichen und nördlichen Umfelds war
nicht nur um das Schloss herum gruppiert, sondern hat sich auch auf
das Schloss bezogen. Insbesondere war die Straße Unter den Linden
darauf ausgerichtet.
-
Ein Schlossneubau habe, wie auch das historische Stadtschloss als
Mittelpunkt der Geschichte Berlins, Deutschlands und auch Preußens,
identitätsschaffende Funktion.
-
Durch den Neubau würde die historische Mitte Berlins einen neuen
belebenden Bezugspunkt erhalten.
Der Wiederaufbau der Berliner Kommandantur sowie der Frauenkirche
in Dresden seien ein Beweis dafür, dass auch ein Schlossneubau
machbar sei.
Dagegen führen
die Gegner des Wiederaufbaus unter anderem Folgendes an:
-
Ein
wiedererrichtetes Gebäude einer vergangenen Zeitepoche wäre
eine Absage an die Architektur der Gegenwart.
-
Eine mit dem Original exakt übereinstimmende Rekonstruktion (von
Teilen oder des gesamten Objekts) sei sowieso nicht möglich,
da dabei immer Details unbekannt seien, insofern sei jede Rekonstruktion
eine Interpretation der Zeit, in der die Wiederherstellung durchgeführt
werde.
-
Eine Rekonstruktion nach so langer Zeit widerspreche den Prinzipien
des Denkmalschutzes, dessen Ziel es sei, Denkmale zu erhalten und
zu pflegen, aber nicht historisierende Nachbildungen zu schaffen,
die den Betrachter lediglich glauben machen, hier handle es sich tatsächlich
um teilweise alte Bausubstanz.
-
Da es sich unter anderem um ein Symbol der Monarchie handelt, könnte
ein Wiederaufbau als undemokratisches, antimodernistisches politisches
Signal aufgefasst werden.
-
Die gegenwärtige Haushaltslage sowohl Berlins als auch der Bundesrepublik
verbiete derartige Großprojekte mit unbestimmtem wirtschaftlichem
Nutzen.
-
Die derzeit geplante Nutzung als Humboldt-Forum wäre durch eine
historisierende Fassade eingeschränkt bzw. würde keine optimalen
Bedingungen für ein derartiges Forum schaffen. Wenn ein Humboldt-Forum
gewünscht ist, sollte es innerlich den daraus resultierenden
Nutzungsanforderungen folgen, anstatt ‚vorzugaukeln‘,
ein Stadtschloss zu sein. Dies sollte auch nach außen sichtbar
sein. Die Funktionen des Gebäudes sollten sich nicht in überkommene
Formen (Fensteröffnungen etc.) zwängen lassen.
Die sehr engagierte Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern
führen viele auf die politische und kulturelle Symbolik des Bauwerks
zurück.
Entscheidung für den Wiederaufbau
Im
Laufe der Diskussion um den Wiederaufbau des Schlosses plädierten
viele prominente Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und auch Sport
für das Schloss, während sich viele Architekten und einige Denkmalpfleger
kritisch gegenüber einer Rekonstruktion äußerten.
In
der von der Bundesregierung und dem Berliner Senat im Jahr 2000 eingesetzten
Internationalen Expertenkommission Historische Mitte Berlin unter der
Leitung des früheren Wiener Wohnbaustadtrates Hannes Swoboda bestand
ein hohes Maß an Übereinstimmung, dass sich die Neubebauung
des Platzes an der Struktur und am Erscheinungsbild des ehemaligen Schlosses
orientieren müsse. Das Votum für die Rekonstruktion der barocken
Fassaden und des Schlüterhofes fiel dagegen „weniger deutlich“
aus. So schlug die Kommission im Jahr 2002 vor, dass ein Neubau in der
Kubatur des Schlosses auf dem originalen Standort aus ästhetischen
wie urbanen Gesichtspunkten anstelle des abzureißenden Palastes
der Republik entstehen soll.
Die
Kommission legte für eine Bebauung des Schlossplatzes eine architektonische
Alternative vor: Einen Wettbewerb für einen Neubau, der auf jeden
Fall die Kubaturen des Schlosses aufnehmen müsse und in dessen Rahmen
ebenso ein Wiederaufbau des Schlosses ermöglicht werden könne
(„Lasst Schlüter beim Wettbewerb mitmachen“) oder alternativ
dazu eine Entscheidung zum unmittelbaren Wiederaufbau des Schlossäußeren
mit mindestens den drei beherrschenden Barockfassaden und dem kleineren
Schlosshof.
Im
Juli 2002 stimmte der Bundestag mit annähernder Zweidrittelmehrheit
für die zweite Variante, also für den unmittelbaren Wiederaufbau
des Schlossäußeren und das Humboldt-Forum. Er hatte aber noch
nicht den Charakter eines endgültigen Baubeschlusses, da dieser erst
mit der Bewilligung der finanziellen Mittel im Rahmen des Haushalts nach
den Wettbewerben zustande kommt. Hier spielte die kritische Haushaltslage
des Bundes eine wichtige Rolle. Die Debatte um einen Wiederaufbau war
damit also noch nicht beendet, selbst dann nicht, als der Bundestag seinen
Beschluss vom Vorjahr im November 2003 fast einstimmig bestätigte.
Im August 2005 stellte die Bundesregierung der Öffentlichkeit Auszüge
(die gesamte Studie ist weiterhin unter Verschluss) einer Machbarkeitsstudie
vor, nach der die Verwirklichung des Bauvorhabens in Form eines Public
Private Partnership möglich sein könnte. Im November 2007 bewilligte
der Bundestag auf Antrag der Bundesregierung im Rahmen der Haushaltsberatungen
einen ersten Zahlungsabschnitt von 105 Mio. Euro, davon wurden zunächst
102 Mio. Euro gesperrt, drei Millionen wurden für den Architektenwettbewerb
Wiedererrichtung des Berliner Schlosses – Bau des Humboldt-Forums
sofort freigegeben. Die Sperre der Finanzierung des ersten Bauabschnitts
wurde mit der Kostenkalkulation begründet, für die man die Sicherheit
brauche, dass der gesamte Kostenrahmen von 552 Mio. Euro, den das Bundesbauministerium
beantragt hatte, durch die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs bestätigt
und eingehalten würde. Es ginge nicht um eine Sperre gegen den Bau
an sich, sie sei als Vorsichtsmaßnahme zu sehen, um eine zu teure
Variante bei den Entwürfen auszuschließen.
Der
Architektenwettbewerb wurde daraufhin im Dezember 2007 ausgeschrieben;
ein Jahr später sollte die berufene und mit Vertretern aller Schlossoptionen
äußerst heterogen besetzte Jury ihre Entscheidung treffen.
Am
28. November 2008 entschied sich die Jury für den weitgehend am historischen
Vorbild orientierten Entwurf des italienischen Architekten Francesco Stella.
Die Jury habe sich einstimmig für sein Modell ausgesprochen, um damit
das Humboldt-Forum umzusetzen. Dem Italiener sei es gelungen, „einerseits
das Historische wieder entstehen zu lassen und andererseits eine moderne
Antwort“ zu finden. Diese besteht sicherlich darin, dass sich die
frei gestaltbare Ostseite an italienische Loggienfassaden anlehnt und
eine gewisse Leichtigkeit herzustellen vermag.
Bis
zum Herbst 2009 sollte aus der Entwurfsplanung die Ausführungsplanung
in enger Abstimmung mit den künftigen Nutzern entwickelt werden.
Juristisches
Zwischenspiel
Am 11. September 2009 hat die Vergabekammer des Bundeskartellamts aufgrund
einer Beschwerde des unterlegenen Mitbewerbers des Architektenwettbewerbs
Hans Kollhoff entschieden, dass der Stadtschloss-Vertrag mit dem Büro
Franco Stella ungültig ist. Die Gründe liegen vor allem im Verstoß
gegen die Vergaberichtlinie, dass ein beauftragtes Büro eine der
Größe des Auftrags angemessene Größe mit entsprechendem
Umsatz haben muss. Außerdem wurde festgestellt, dass im Wettbewerbsablauf
„mangelnde Transparenz“ geherrscht habe. Das Bundesbauministerium
kündigte sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf
gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts an. Die Bauherren sind sich
sicher, dass die juristischen Fußangeln der Mitwettbewerber keine
aufschiebende Wirkung für den Zeitablauf des Projekts haben. 0Anfang
Dezember 2009 hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht die Vergabe
an Stella für rechtmäßig erklärt. Danach hätten
die im Architektenwettbewerb unterlegenen Mitbewerber über den bevorstehenden
Vertragsabschluss mit Stella informiert werden müssen, durch die
nun erfolgte gerichtliche Überprüfung seien aber ihre Rechte
gewahrt worden.
Nutzungskonzept
– Empfehlung der Expertenkommission
Als Nutzungskonzept für den Komplex hatte der Abschlussbericht der
Expertenkommission im Jahr 2002 empfohlen, ein Humboldt-Forum im Schloss
zu errichten. Hierzu sollen die Sammlungen der außereuropäischen
Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aus dem Museumszentrum
Dahlem in das Schloss verlegt werden und zusammen mit den Sammlungen der
europäischen Kunst auf der Museumsinsel einen Ort der Weltkultur
bilden. Ergänzt wird diese Vorstellung mit der Errichtung des Wissenschaftsmuseums
(unter anderem medizinische Sammlungen Rudolf Virchows) und einer zum
Konzept passenden Bibliothek der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
sowie der Staatsbibliothek zu Berlin. Ein „Agora“ genanntes
Veranstaltungszentrum soll dem Dialog der Kulturen der Welt dienen.
Das
neue Schloss soll dementsprechend nicht nur um des Schlosses willen entstehen,
sondern konkrete Aufgaben übernehmen. Auf diese Weise soll an die
wissenschaftlich-kulturelle Vergangenheit des Ortes angeknüpft werden,
an dem sich Staat (Schloss), Kirche (Dom), Wissenschaft (Museen) und Militär
(Zeughaus) vereinen.
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